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Militärführungen von QSD und YPJ zum Krieg in Syrien



Mazlum Abdi und Rohilat Efrîn haben sich als Generalkommandant:innen der QSD und YPJ zur aktuellen Lage in Syrien geäußert und die Einbeziehung ihrer Kräfte in Verhandlungen über eine politische Lösung für das Land gefordert.

Pressekonferenz in Hesekê

Die Oberkommandierenden der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) haben sich auf einer Pressekonferenz in Hesekê zur aktuellen Lage im Land geäußert und die Einbeziehung ihrer Kräfte in Verhandlungen über eine politische Lösung der Syrien-Frage gefordert.


QSD-Generalkommandant Mazlum Abdi informierte zunächst über die derzeitige Situation in Şêxmeqsûd (Scheich Maksud) und Eşrefiyê (Ashrafia). In den beiden selbstverwalteten kurdischen Stadtvierteln im Norden Aleppos sind demnach gegenwärtig rund 250.000 Menschen eingekesselt zwischen den Dschihadistenallianzen Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und Syrische Nationalarmee (SNA). Abdi sagte: „In beiden Viertel befinden sich lokale Kräfte von uns, darüber hinaus leistet die Bevölkerung mutig Widerstand. Wir möchten, dass die dortige Frage im Dialog gelöst wird. Damit die kurdische Bevölkerung in Şêxmeqsûd und Eşrefiyê bleiben, mit ihrer eigenen Identität leben und Teil eines neuen Aleppo werden kann, gibt es Initiativen, die wir fortsetzen.“

Verteidigung von Minbic

Weiter wies Abdi auf andauernde Drohungen gegen die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien durch die Türkei hin. Insbesondere Minbic (Manbidsch) befinde sich verstärkt im Fokus der türkischen Aggression. „Wir haben bereits in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht, dass wir Konflikte mit der Türkei im Dialog lösen möchten. Die Truppen der internationalen Anti-IS-Koalition versuchen hier einen Beitrag zum Abbau der Spannungen zu leisten. Für mögliche Angriffe auf Minbic oder andere Städte in Nord- und Ostsyrien sind wir dennoch vorbereitet. Die QSD sind in der Lage, das Volk zu schützen.“

IS nutzt Sicherheitsvakuum

Abdi warnte auch vor einem Wiedererstarken der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). In einigen Regionen, aus denen sich syrische Regierungstruppen angesichts der Dschihadistenoffensiven von HTS und SNA zurückgezogen haben, sei ein „großes Sicherheitsvakuum“ entstanden. „Diese Lücken werden nun vom IS gefüllt. Uns liegen Berichte vor, dass die Miliz sich in vielen Orten neu formiert und ihre Anschläge intensiviert. Als QSD ergreifen wir Gegenmaßnahmen, um die Menschen in Deir ez-Zor, Raqqa und Tabqa zu verteidigen. Wir sind im Austausch mit den Koalitionstruppen, um gegen die IS-Bedrohung vorzugehen. Es ist aber notwendig, dass dieser Kontakt noch weiter gestärkt wird. Auch im Camp Hol kommt es zu verstärkten IS-Aktivitäten.“

Nord- und Ostsyrien muss in eine Lösung einbezogen werden

Mit der Einnahme von Aleppo, Hama und Tel Rifat (Tall Rifat) durch eine von der Türkei orchestrierte Dschihadisten-Invasion sei eine neue Seite in der Geschichte des Krieges in Syrien aufgeschlagen worden. Abdi betonte, dass die aktuellen Entwicklungen die Notwendigkeit verdeutlichten, dreizehn Jahre nach Beginn des Krieges endlich eine politische Lösung zu finden. Dass vorangegangene Initiativen zur Beilegung des Konflikts nicht fruchteten, machte der QSD-Generalkommandant daran fest, dass Nord- und Ostsyrien von den Verhandlungen ausgeschlossen wurde. „Wir wollen eine politische Lösung für Syrien und fordern die Einbeziehung der Selbstverwaltung in entsprechende Verhandlungen. Nur wenn alle Seiten miteinander reden, kann eine Lösung für ganz Syrien gefunden werden. Diese Ansicht teilen auch Vertreterinnen und Vertreter der UN, mit denen wir im Austausch sind.“

Verhandlungen mit HTS über Aleppo

Abdi äußerte sich auf der Konferenz auch zu laufenden Gesprächen mit verschiedenen Kräften in der Region und sagte, dass ein intensiver Austausch mit Russland, dem Irak, den USA und anderen Ländern stattfinde. Mit HTS liefen gegenwärtig Verhandlungen über die Zukunft der kurdischen Bevölkerung in Aleppo. „Bisher gab es zwischen uns keine militärischen Konflikte. Wir haben auch nicht vor, uns gegenseitig zu bekämpfen. Nun hat sich aber ein neuer Prozess entwickelt und HTS hat weite Teile des Landes unter seine Kontrolle gebracht. Was uns Sorgen macht, ist eine Ausweitung dieser Invasion auf unsere Regionen. Wir werden das Verhalten von HTS genauestens beobachten und abwarten, ob sie ihre Zusagen einhalten. Sollte es dennoch zu Angriffen kommen – ganz gleich von welcher Seite – werden wir unsere Gebiete verteidigen, dazu sind wir militärisch bereit. Wichtig ist jetzt jedoch, dass die Spannungen abgebaut werden. Es muss einen allgemeinen Waffenstillstand geben. Wir müssen unsere Probleme mit politischen Mitteln lösen.“

Evakuierung aus Şehba

Zur Lage der in Tel Rifat und anderen Teilen von Şehba verbliebenen eingekesselten Bevölkerung sagte Abdi, dass mit Hochdruck daran gearbeitet werde, diese Menschen zu evakuieren. Eine Vielzahl der Menschen in der von der sogenannten SNA überrannten Region konnte in den vergangenen Tagen über einen von den QSD errichteten Fluchtkorridor in die nordostsyrischen Autonomiegebiete evakuiert werden. Doch mehrere tausend Menschen sind eingeschlossen und werden von Söldnern der Türkei an der Flucht gehindert. Darüber hinaus liegen Berichte über Entführungen und Hinrichtungen vor. „Wir hoffen, dass wir die Evakuierung aus Şehba und Tel Rifat im Laufe des Tages abschließen können“, sagte der QSD-Generalkommandant.

Aufruf an Assad

Abdi rief die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad auf, eine politische Lösung der Syrien-Krise zu ermöglichen. Dies schließe auch eine Lösung der kurdischen Frage ein. Er betonte: „Die Lösung liegt nicht mehr allein in den Händen der syrischen Regierung. Es gibt viele Seiten der Lösung. Das muss sie anerkennen. Damaskus muss seine ablehnende Haltung aufgeben und darf den Dialogprozess nicht länger blockieren. Von Seiten der internationalen Gemeinschaft und den Vereinten Nationen braucht es Engagement für eine ernsthafte politische Lösung und einen dauerhaften Frieden mit der Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens am Verhandlungstisch. Wir werden alles tun, was notwendig ist, um den Zerfall Syriens zu verhindern.“

Gefangene Kämpferinnen

Die YPJ-Generalkommandantin Rohilat Efrîn äußerte sich auf der Pressekonferenz zu den von der SNA verschleppten Frauen aus Şêxmeqsûd und Eşrefiyê. Unter ihnen befinden sich demnach auch Kämpferinnen einer autonomen Frauenkampfgruppe, die unter dem Namen „Einheit Şehîd Jiyan Tolhildan“ bekannt sei. Es gebe Versuche, die Geiseln zu befreien. Wie viele Menschen sich insgesamt als Kriegsgefangene in den Händen der Islamisten befinden, sei derzeit aber noch unklar.

„Die Türkei und mit ihr verbundene Dschihadistengruppen sind misogyn“, sagte Efrîn. Die YPJ und andere Kräfte in der Region behielten sich das Recht auf Vergeltung vor, sollten die Geiseln nicht freigelassen werden. Die Kommandantin bezeichnete die Entführungen als Kriegsverbrechen, die eine Untersuchung durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) erforderten. An die Bevölkerung appellierte Rohilat Efrîn, ihre Organisierung zu stärken. Besonders die jüngsten Bewegungen von IS-Zellen machten eine Festigung der Selbstverteidigung erforderlich.

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