Hesekê: Demonstration für Frauenrechte in Syrien
In Hesekê haben hunderte Frauen bei einer Demonstration deutlich gemacht, was sie nach dem Sturz des Assad-Regimes für ganz Syrien fordern: die uneingeschränkte Anerkennung von Frauenrechten als Menschenrechte.
In Hesekê haben hunderte Frauen bei einer Demonstration deutlich gemacht, was sie nach dem Sturz des Assad-Regimes für ganz Syrien fordern: die uneingeschränkte Anerkennung von Frauenrechten als Menschenrechte. Aufgerufen zu dem Protest hatte ein Bündnis aus allen relevanten Frauenverbänden in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien, darunter der aus der kurdischen Frauenbewegung hervorgegangene Dachverband Kongra Star, die Union der Suryoye-Frauen und der Armenische Frauenrat. Eine weitere Hauptforderung ist, dass Frauen eine zentrale Rolle beim Wiederaufbau Syriens spielen. Ohne eine systematische Einbindung von Frauen in die aktuellen Entscheidungsprozesse für eine Neugestaltung des Landes drohe eine weitere Marginalisierung, warnten sie. Ihre besondere Solidarität galt den Frauenverteidigungseinheiten YPJ, die eine maßgebliche Rolle im Widerstand gegen die Besatzung Nord- und Ostsyriens spielen.
Der Sturz des Assad-Regimes verändert Syrien, doch für viele Frauen
bleibt die Lage prekär. Das Land wird von einer Übergangsregierung unter
der Führung der Islamistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) geleitet,
die sich zwar als moderat gibt, aufgrund ihrer fundamentalistischen
Ideologie und der Anerkennung der Scharia in ihrer strengsten Auslegung
die Rechte von Frauen wahrscheinlich stark einschränken wird. HTS
kündigte bereits an, die Trennung von Männern und Frauen in Schulen
wieder einzuführen und bestimmte Berufe nur noch für Männer zu erlauben.
HTS-Sprecher Obaida Arnaut etwa sagte kürzlich im libanesischen
Fernsehen, dass Frauen aufgrund ihrer „biologischen Natur“ für das Amt
einer Verteidigungsministerin oder für Rollen in der Justiz ungeeignet
seien.
Doch nicht nur die HTS-Ideologie stellt eine Bedrohung der Rechte von Frauen dar. Auch durch die Türkei geraten Frauen und Frauenrechte bedingt durch die fortgesetzte Gewalt gegen Nord- und Ostsyrien zunehmend unter Druck. „Dem türkischen Aggressor ist das Modell einer demokratischen Gesellschaft, die auf der Freiheit der Frauen basiert, ein Dorn im Auge“, sagte Rîhan Loqo von der Koordination der Kongra Star. Deshalb würde die Strategie verfolgt, insbesondere die Frauen aus ihrer Heimat zu vertreiben. Wer bleibt, wird Opfer der Kriegsgewalt, so die Logik der Besatzer. „Im Krieg gegen Nord- und Ostsyrien ist es dem Besatzerstaat ein strategisches Mittel, Frauen zu ermorden und die Errungenschaften der Frauenrevolution von Rojava sowie ihre Verteidigerinnen anzugreifen.“ Loqo spielte damit auf gezielte Drohnenangriffe der Türkei gegen Kämpferinnen und Kommandantinnen der YPJ an.
„Doch wir leisten einen historischen Widerstand“, betonte Loqo. „Schon
unsere Einheit und Solidarität mit allen weiblichen Komponenten Syriens
ist ein Widerstand für sich. Und wir sagen: Der Wille der freien Frauen
muss beim Aufbau des neuen Syriens berücksichtigt werden. Ein
demokratische Syrien kann nur mit den Stimmen und Farben und mit dem
Bewusstsein von Frauen aufgebaut werden. Frauen müssen sich auch aktiv
an der Ausarbeitung der syrischen Verfassung beteiligen. Ein Syrien, das
nicht von Frauen mitaufgebaut wird, kann nicht akzeptiert werden. Wir
rufen alle Völker auf, die notwendige Verantwortung für den Aufbau eines
neuen und demokratischen Syriens zu übernehmen.“
Sabah Shabo von der Union der Suryoye-Frauen würdigte den Kampf der Völker Nord- und Ostsyriens. „Wir haben 13 Jahre lang Schulter an Schulter Widerstand gegen das Assad-Regime, den Islamisten-Terror und die türkische Besatzung geleistet. Nun ist es an der Zeit, die Früchte dieses Kampfes zu ernten und die Revolution auszuweiten. Es ist unser Recht, den Wiederaufbau Syriens mitzuprägen. Gestärkt von der Formel ‚Jin Jiyan Azadî‘ werden wir Schritte hin zu einem demokratischen, neuen Syrien gehen. Sollten uns hierbei Steine in den Weg gelegt werden, sollten die Verantwortlichen schon jetzt wissen, dass wir auch für unsere Repräsentanz beim Wiederaufbau unserer Heimat kämpfen werden“, betonte Shabo.
Anahid Qasabiyan vom Armenischen Frauenrat sagte, in Syrien sei es
dringender denn je, Frauen zu stärken und auch allen Minderheiten eine
aktive Rolle in der Neugestaltung des Landes zu ermöglichen. Sie
forderte Freiheit und gleiche Rechte für alle Gruppen in dem vom Krieg
geschundenen Land und verwies auf Bestrebungen der Türkei, die
Autonomieregion Nord- und Ostsyrien zugunsten neo-osmanischer
Großmachtphantasien in ein gemeinsam mit Dschihadisten beherrschtes
Protektorat zu verwandeln. „Die armenische Gesellschaft Rojavas sieht in
den Gräueltaten der türkisch-dschihadistischen Kriegsmaschinerie
Parallelen zum Völkermord von 1915. Entsprechen bauen wir als armenische
Frauen unsere Organisierung und Selbstverteidigung, aber auch
Solidarität weiter aus. Unsere Botschaft an den Feind lautet: Weder
werden wir ein zweites 1915 akzeptieren noch Straffreiheit für die Täter
– von damals wie heute.“
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