Türkische Offensive und deutsche Komplizenschaft

 


Die Türkei greift erneut mit einer Großoffensive den Nordosten Syriens an und Deutschland liefert Waffen.


Ein von einer türkischen Drohne zerstörtes Fahrzeug in der Umgebung der Stadt Qamischli im Nordosten Syriens am 27. Juli 2023

Seit einer Woche intensiviert die Türkei ihre Angriffe auf den Nordosten Syriens. Mehr als 1.000 Angriffe verzeichnete die kurdische Selbstverwaltung allein innerhalb der ersten vier Tage. Türkische Drohnen, Kampfflugzeuge und Artillerie zielen dabei auf besiedeltes Gebiet und kritische Infrastruktur, darunter Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke, Ölfelder, Getreidespeicher, Apotheken und Wohngebiete wie das Stadtzentrum von Kobanê/Ain al-Arab. Hunderttausende Menschen sind ohne Strom und Wasser – die Schäden im Energiesektor übersteigen bereits heute fünf Millionen US-Dollar.

Vergeltung ist keine Verteidigung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan rechtfertigt die jüngsten militärischen Angriffe als Vergeltung für einen Anschlag auf den türkischen Rüstungskonzern TUSAŞ in Ankara, der unter anderem Kampfjets, Drohnen, Satelliten und Hubschrauber produziert. Zu dem Anschlag bekannte sich die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK. Ein möglicher Hintergrund könnte der Vorstoß des Vorsitzenden der ultranationalistischen Partei MHP, Devlet Bahçeli, sein. Dieser stellte Hafterleichterungen für den PKK-Gründer Abdullah Öcalan in Aussicht, sofern die PKK ihre Waffen abgebe. Bahçeli forderte zudem den seit Jahren inhaftierten Öcalan auf, die Auflösung der Organisation zu verkünden. Nur einen Tag später ereignete sich der Anschlag, die PKK bestreitet jedoch einen direkten Zusammenhang.

Die Türkei macht indes die kurdische Selbstverwaltung und ihre Verteidigungskräfte in Nordostsyrien, die YPG, mitverantwortlich. Die türkische Regierung betrachtet die YPG als einen Ableger der PKK und damit als Terrororganisation. Diese Anschuldigungen werden von der autonomen Selbstverwaltung Nordostsyriens jedoch entschieden zurückgewiesen.

Tatsächlich zeigte sich die autonome Selbstverwaltung gerade erst erstaunlich gesprächsbereit gegenüber der türkischen Regierung und war zu weitreichenden Kompromissen bereit, um die Situation in Nordostsyrien zu deeskalieren. Sie bot der Türkei einen Dialog an, um ein dezentrales System für die von Assad befreiten Gebiete im Nordwesten und Nordosten Syriens zu schaffen, das beiden Regionen eine Selbstverwaltung ermöglichen soll. Der Türkei wurde in diesem Zusammenhang eine Garantie-Rolle angeboten, die jedoch abgelehnt wurde.

Erdoğan greift an – Deutschland liefert die Mittel

Die Türkei führt seit über zwei Jahren ihren vierten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die kurdische Selbstverwaltung im Nordosten Syriens, die inzwischen ein Drittel des Landes umfasst. In dieser Region leben ethnische und religiöse Minderheiten gleichberechtigt miteinander. Der erste militärische Überfall durch türkische Streitkräfte fand im August 2016 statt. Erdoğan deklariert alle seitdem durchgeführten Angriffe als Kampf gegen den IS und die YPG. Im vergangenen November erklärte die Türkei zivile Infrastruktur zu legitimen Zielen und bombardierte diese ohne zu zögern. Kritische Stimmen von der Bundesregierung blieben sowohl damals als auch heute aus.

Stattdessen hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, Rüstungsexporte in die Türkei wieder zuzulassen. Seit 2019 waren diese immer weiter eingeschränkt und keine neuen Genehmigungen für Waffen und andere militärische Güter erteilt worden. Einen umfassenden Waffenstopp hatte es allerdings nie gegeben, beispielsweise lieferten deutsche Firmen wichtige Komponenten der Kampfdrohne TB2. Kurz vor der neuerlichen Eskalation in Nordostsyrien nun die Kehrtwende: Es werden wieder Waffenlieferungen im großen Stil zugelassen. Der Bundessicherheitsrat genehmigte kürzlich Lieferungen im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro durch und rüstet damit die kriegslustige Türkei weiter auf.

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