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Rojava / Theorie: Alternative Ökonomie durch Kooperativen aufbauen

 


Der PYD-Politiker Aldar Xelîl weist in einem Kommentar für ANHA auf die zerstörerische Dimension des Kapitalismus hin und ruft zum Aufbau einer alternativen Ökonomie auf.


Als die Menschheit ihr Leben im Gleichgewicht mit der Natur verlor, entwickelte sich das Streben nach Macht und Herrschaft und wurde institutionalisiert. Mit der Entwicklung des Machtstrebens wandelte sich die Ökonomie von einem Mittel zum Leben hin zu einem Werkzeug zur Akkumulation von Macht. An die Stelle der Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse der Menschen ist die Orientierung an Profit und Herrschaft getreten. Das Funktionieren einer Ökonomie wurde nun an der Anhäufung von Profit bemessen. Die staatlichen Institutionen entwickelten sich verzahnt mit den als „Ökonomie“ definierten Aktivitäten und wurden im kapitalistischen Herrschaftssystem zum Instrument, um die Rahmenbedingungen für Raub und Ausbeutung zu sichern. Das kapitalistische System zielt auf die Zerstörung der sozialen Organisierung ab. Durch Entmachtung und Versklavung der Gesellschaft versucht es, seine Macht zu erhalten und Profite zu maximieren. Wenn wir also über Ökonomie sprechen wollen, dann müssen wir erkennen, dass die Macht der Gesellschaft alles genommen hat. Das bedeutet, die Gesellschaft wurde in eine Struktur ohne eigenen Willen und ohne eigene Ökonomie transformiert.

In Nord- und Ostsyrien ist ein revolutionärer Prozess im Gange, es findet ein gewaltiger Widerstand und Kampf gegen die Vernichtung statt. Die Entwicklungen in diesem Prozess können nur als historisch bezeichnet werden. Aber leider können gewünschten Schritte im Bereich der Ökonomie nicht in diesem Prozess mithalten. Die Kriegswirtschaft ist eine zwingende Notwendigkeit, um das Niveau der Verteidigung und des Widerstands steigern. Dafür ist jedoch der Aufbau einer gesellschaftlichen Ökonomie die Grundvoraussetzung. Die Entwicklung der gesellschaftlichen Ökonomie bedeutet Organisierung und eine organisierte Gesellschaft ist die Voraussetzung für Freiheit und Selbstbestimmung.

 

 

 

 

 

 

 

 

Aldar Xelîl © ANHA

Wenn es keine gesellschaftliche Ökonomie gibt, dann bedeutet das, dass jede und jeder Einzelne gezwungen wird, im kapitalistischen System zu arbeiten und Angestellter der Institutionen und Organisationen des Systems der kapitalistischen Moderne zu werden, sprich ein moderner Sklave im Dienste von Staat und Kapital zu werden. Um diese Situation zu überwinden und zu lösen, ist es notwendig, einen Kampf zur Veränderung des Bewusstseins zu entwickeln. Dieser Kampf muss darauf abzielen, ein freies Bewusstsein, das die Sklaverei nicht akzeptiert, zu schaffen. Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden, das die kollektive Arbeit und nicht die individuelle Sklavenarbeit als erstrebenswert betrachtet.

Der Organisierungs- und Entwicklungsprozess in den Gemeinschaften bedeutet, das soziale, gemeinsame und natürliche Leben wiederzubeleben und zu aktivieren. Gleichzeitig entwickelt sich so die Kraft der Selbstverwaltung und der eigenen Entscheidungsfindung in einer solchen Gemeinschaft. Wenn die Kommunen und Räte dieser Gemeinschaft aktiv sind, so kann diese Gemeinschaft auch eine soziale Ökonomie aufbauen. Dies setzt eine Wechselwirkung in Gang und stärkt wiederum die Kommunen und Räte und damit auch das System der gesellschaftlichen Demokratie.

So wichtig wie die Kommunen und Räte für die soziale Organisierung sind, so wichtig sind auch die Kooperativen als Form der gesellschaftlichen, kollektiven Wirtschaftsorganisation. Im Kooperativsystem gibt es keine Arbeiter und keine Angestellten. In Kooperativen arbeiten die Menschen gemeinsam an einem Ziel und ihnen gehört ihre Arbeitskraft selbst. Ganze Familien arbeiten kollektiv in den Kooperativen und sind alle Eigentümer ihrer Arbeit und alle werden in diesen Prozess eingebunden. In den Kooperativen entsteht eine Kultur der Solidarität und Liebe anstelle einer Kultur der Arbeit, die Kooperativen werden zu Zentren der Moral und der gesellschaftlichen Solidarität. Gleichzeitig entsprechen sie den materiellen Anforderungen der Gesellschaft. Damit sind Kooperativen ein wirksames Mittel gegen die moderne Sklaverei durch das kapitalistische System.

Das System der kapitalistischen Moderne basiert seit jeher auf dem freien Markt, dessen Grundregeln Profit und Monopol sind. Während auf dem freien Markt alle Formen von Raub und Ausbeutung erlaubt sind, ist es in der gesellschaftlichen Ökonomie genau umgekehrt: Anstelle von Profit und Monopol sollen die Bedürfnisse der Gesellschaft befriedigt werden. Die Kooperative tritt also an die Stelle des freien Marktes. Anstelle des freien Marktes der kapitalistischen Moderne entsteht der gesellschaftliche Markt.

Wenn wir den Entwicklungsstand einer Revolution beurteilen wollen, müssen wir ihre Ökonomie betrachten, und um den Stand der Entwicklung der gesellschaftlichen Ökonomie zu verstehen, müssen wir das Importvolumen in Augenschein nehmen. Ein hohes Niveau des Außenhandels ist ein Zeichen der Schwäche, es zeigt, dass die Gesellschaft nicht produktiv ist, d.h. dass sie eine Konsumgesellschaft ist. Eine Gesellschaft ohne eigene Ökonomie wird nicht in der Lage sein, ihr eigenes demokratisches System zu errichten und frei zu leben.

Die gesellschaftliche Ökonomie stützt sich auf die historische Kultur der Mütter, die dörfliche und landwirtschaftliche Kultur. Mit anderen Worten, die gesellschaftliche Ökonomie entwickelt aus sich heraus auch das soziale Zusammenleben. Die Wirtschaft ist ihrem Wesen nach Kultur, Geschichte und Sozialisierung, aber leider hat die kapitalistische Moderne diese Definition verändert und verzerrt, indem sie Wirtschaft mit Geld und Profit identifiziert und diese neue Definition durchsetzt und legitimiert. Der Kapitalismus hat Privatuniversitäten im Bildungssystem eingeführt und Ausbeutung, Betrug, Diebstahl, Erpressung, Gewalt und Geld als Wirtschaft etabliert.

Wir sprechen von sozialer Revolution, wir sprechen von Freiheit, Demokratie, aber wir entwickeln die gesellschaftliche Ökonomie nicht, das widerspricht der Realität der Revolution. Wenn es den Wunsch gibt, ein demokratisches und freies System zu errichten, dann sollte die Basis der Revolution, die soziale Revolution durch die Rückkehr zum Dorfleben stattfinden, das sollte gestärkt werden und die Landwirtschaft sollte dafür unterstützt werden. Denn wenn sich die Landwirtschaft entwickelt, werden sich die Kultur der Mutter, die gesellschaftliche Kultur und die soziale Harmonie entwickeln. Wenn sich die Landwirtschaft entwickelt, wird die gesellschaftliche Produktion wachsen und die gesellschaftliche Ökonomie und die demokratische Revolution werden sich herausbilden

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