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Rojava: Solidarische Arbeit von Suryoye-Frauen

 


Die 2013 gegründete Frauenunion der Suryoye (aramäisch-sprachige christliche Minderheit) hat sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklung von Frauensolidarität und gesellschaftlicher Organisierung im Nahen Osten voranzutreiben.

Georgette Barsomo

Die Suryoye sind ein altes Volk, das einst (Assyrisches Reich) das Gebiet der Levante im Nahen Osten dominierte, heute aber über die ganze Welt verstreut ist. Seine Geschichte ist eng mit den alten Hochkulturen Mesopotamiens verzahnt – und der Erfahrung von Vertreibung, Pogromen, Völkermord und die Terrorisierung durch verschiedene Staaten oder religiösen Fundamentalismus. In Nord- und Ostsyrien, auch bekannt als Rojava, wo nach dem Modell der demokratischen Autonomie ein Beispiel der pluralistischen Selbstorganisierung geschaffen wurde, stellen Suryoye einen wichtigen Teil der Bevölkerung dar. Dazu gehört auch die Selbstorganisierung der Suryoye, insbesondere der Frauen. Viele sind organisiert unter dem Dach der Frauenunion der Suryoye, die gegründet wurde, um die Stimme der Suryoye-Frauen hörbar zu machen und ihre Rechte zu verteidigen.

Vorläufer der Union: Komitee der Suryoye-Frauen

Georgette Barsomo ist Vorsitzende der Zweigstelle der Frauenunion in Qamişlo. Im Gespräch mit ANF äußerte sich die Aktivistin über die Entwicklung der Institution der Suryoye-Frauen. So gilt als Vorläufer der Union, das im Jahr 2005, also noch vor der Revolution von Rojava, gegründete Frauenkomitee der Suryoye. Rückblickend auf diese Zeit stellte Barsomo fest, dass es bis zur Gründung des Komitees keine institutionellen Mechanismen oder Räume gab, die der Benachteiligung der Suryoye und besonders ihrer Frauen entgegenwirkten und den Schutz ihrer Rechte gewährleisteten. Daher begannen sich die Frauen ab den 2000er Jahren zu organisieren. „Es begann eine Phase von Aktivitäten, bei denen es darum ging, eine Einheit unter den Frauen zu schaffen. Im Jahr 2005 wurde das Komitee der Suryoye-Frauen gegründet. Von diesem Komitee wurden soziale und kulturelle Aktivitäten umgesetzt und Organisierungsarbeit geleistet. Besonders wichtig waren dabei Bildungen im sozialen und kulturellen Bereich.“


2013 wurde die Union der Suryoye-Frauen ausgerufen

Barsomo berichtete von der Gründungskonferenz am 13. Juli 2013. „Mit der Ausrufung der Frauenunion der Suryoye wurden in Dêrîk, Tirbespiyê, Qamişlo und Hesekê regionale Abteilungen ins Leben gerufen. Darüber hinaus haben wir Bildungsprogramme veranstaltet, um Frauen in die Lage zu versetzen, ihre Rechte zu schützen und sich zu organisieren. Die in den vier Städten errichteten Abteilungen schufen Bildungszentren. Dabei ging es vor allem auch darum, dass die Suryoye-Kinder nicht ihre Muttersprache verlieren.“

Ashtarut-Frauenhäuser in zwei Städten

Später kamen weitere Institutionen der Suryoye-Frauen hinzu; zwei Frauenhäuser. Das erste wurde 2017 in Hesekê eröffnet, 2019 folgte bereits ein weiteres in Qamişlo. Die Aktivistinnen hatten sich die Frage gestellt, wie die Rechte der Frauen verteidigt, Frauen unterstützt werden und sich gegenseitig stärken können. So entstanden die „Ashtarut“-Häuser (Ashtarut ist ein anderer Name der Göttin Astarte), die vor allem als Frauenberatungszentren aufgebaut wurden. „Diese Frauenhäuser wurden zu Orten, an denen soziale Probleme gelöst werden, Orte der Solidarität und Versöhnung. Außerdem bildet Bildung hier einen wichtigen Schwerpunkt“, erklärte Barsomo. Diese ziele darauf ab, die Gesellschaft auf einer Wissensebene zu erreichen, um Gleichberechtigung  zu schaffen, Probleme zu reduzieren und das Bildungsniveau zu heben. Probleme, die in den Ashtarut-Häusern nicht gelöst werden können, werden im Rat für gesellschaftliche Gerechtigkeit unter Beteiligung von Vertreter:innen der Einrichtung bewältigt.


Das Frauenhaus als Ort der Organisierung

„Obwohl einige Menschen die Bedeutung der Frauenhäuser zunächst nicht verstanden, erkannten sie nach ihren Besuchen dort den Sinn darin und verwandelten sie in einen sozialen Raum. Die Beschwerden und Probleme, die in unseren Räumen vorgebracht werden, werden monatlich besprochen. Auf dieser Grundlage werden Diskussionsrunden, Treffen und Schulungen organisiert, um die Probleme in der Gesellschaft zu verringern. Es ist ein Programm, das darauf abzielt, herauszufinden, wie soziale Probleme gelöst werden können. Suryoye-Frauen sind unter dem Dach der Frauenunion der Suryoye organisiert, sowohl was das Leben betrifft, als auch die Arbeit.“

Frauenakademie Bethnahrin

Im Jahr 2018 wurde auch die Akademie für junge Frauen Bethnahrin in Hesekê eröffnet. Barsomo sagte dazu: „Es bestand ein Bedarf an einer Berufsbildungs-Initiative. Dafür wurde die Akademie für junge Frauen Bethnahrin eröffnet. Die Frauen brauchten Berufe, um wirtschaftlich unabhängig zu werden. Frauen, die beruflich tätig sind und wirtschaftliche Unabhängigkeit erlangen, können sich besser in die Gesellschaft einbringen.  Wir haben Ausbildungszyklen, die zwischen drei und sechs Monaten dauern. Bislang haben wir keine Akademie, die ideologische Bildung vermittelt. Ideologische Bildung ist aber wichtig für Frauen, um ihre eigene Geschichte und die der Gesellschaft zu begreifen und ihre Selbstverteidigung zu entwickeln. Es reicht nicht aus, nur für die eigene ökonomische Unabhängigkeit zu kämpfen. Wenn sich die Frauen selbst und ihre Gesellschaft kennen, können sie sich stärker an der Gesellschaft beteiligen und ihre Führungsrolle einnehmen.“

Verstärkung der Frauenorganisierung

Frauenorganisierung ist das Hauptziel der Frauenunion, so Barsomo. „Die Stärkung der Beziehungen zwischen kurdischen, arabischen und Suryoye-Frauen wird den Weg zur Stärkung der Frauenorganisation ebnen. Egal wie sehr sich die Frauen einer Nation organisieren; wenn diese Organisation nicht darüber hinausgeht, wird sie dazu verdammt sein, limitiert zu bleiben. Wir haben auch an der Frauenkonferenz im Libanon und dem Frauenpanel in Tunesien teilgenommen. Durch die Solidarität der Frauen in der Region können wir die Freiheit der Völker des Nahen Ostens sichern.“

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