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Veranstaltung in Hamburg: Bildungsarbeit der Frauenstiftung in Camp Hol


Auf einer Veranstaltung der Kurdistanhilfe e.V. in Hamburg wurde über die Arbeit der Frauenstiftung WJAS in Syrien berichtet. Eines der Projekte ist Bildungsarbeit im berüchtigten Camp Hol.

In Hamburg hat am Dienstag eine Veranstaltung unter dem Titel „50.000 IS-Angehörige in Camps in Rojava – eine Gefahr für die ganze Welt" stattgefunden. Die Veranstaltung, zu der der gemeinnützige Verein Kurdistanhilfe e.V. eingeladen hatte, war der Auftakt zu einer Spendenkampagne für die Bildungsarbeit der Stiftung der freien Frau in Syrien (WJAS) in Camp al-Hol.

Im gut besuchten Hamburg-Haus in Eimsbüttel begann der Abend mit einer Online-Liveschaltung nach Rojava zur aktuellen Situation in Nord- und Ostsyrien. Von dort wurde berichtet, dass Erdoğan erklärt habe, die „erste Phase“ der türkischen Operation gegen die Region der Autonomen Administration Nord- und Ostsyriens (AANES) sei beendet, man rechne in Rojava jedoch mit weiteren Angriffen. 48 Menschen – auch Zivilist:innen – seien bei den Angriffen getötet und viele weitere verwundet worden. Die Infrastruktur für Strom, Wasser, Gas und Öl sei in der gesamten Region zerstört. Während die Selbstverwaltung der Bevölkerung zuvor täglich vier Stunden kostenlosen Strom zur Verfügung stellen konnte, sei dies nun nicht mehr möglich. Auch die Wasserversorgung funktioniere nicht mehr ausreichend, da die Pumpstationen ohne Elektrizität nicht arbeiteten. Viele Menschen könnten sich das Wasser, welches in Tankwagen geliefert werde, nicht leisten, und nutzten verschmutztes Wasser, was auch zu gesundheitlichen Problemen führe. All diese Probleme führten zu Entmutigung der Bevölkerung, was auch die Fluchtbewegung weiter anheize.

Die Arbeit der Stiftung der freien Frau in Syrien

Anschließend berichteten zwei Delegationsteilnehmerinnen von ihrer Reise im September nach Nord- und Ostsyrien, bei der sie verschiedene Projekte der Stiftung der freien Frau aus Syrien besucht haben. Vorgestellt wurden zunächst die Arbeiten der Stiftung in Qamişlo, Raqqa und Hesekê.

Die Stiftung wurde 2014 von kurdischen und arabischen Frauen in Qamişlo gegründet. Ihr Ziel ist die Förderung der Autonomie von Frauen und die Verbesserung ihrer Lebenssituation durch Angebote zu Bildung, Gesundheit, Erziehung und Ökonomie. Inzwischen gibt es an 16 Orten Stiftungszentren und Gesundheitsstationen, u.a. auch in den befreiten Gebieten Raqqa, Tabqa und Minbic mit überwiegend arabischer Bevölkerung sowie in den verschiedenen Camps für Geflüchtete.

Das Angebot der Stiftung richtet sich nach den Bedürfnissen der Frauen. Sie bietet in fast allen Orten berufliche Ausbildungen in Nähwerkstätten, Strickereien, im Friseurhandwerk und im medizinischen Bereich an, sowie zusätzlich Alphabetisierung in Kurdisch und Arabisch und Computerkurse. Im zweiten Schwerpunktbereich, der politisch-gesellschaftlichen Bildung, gibt es Seminare und Kurse zu Themen wie Geschichte der Frauen, Selbstbewusstsein, Selbstverteidigung, Gewalt an Frauen und zur Gesundheitsvorsorge. In den Gesundheitsstationen wird eine Basisversorgung für Frauen und Kinder angeboten.

Ein sozialer Treffpunkt und geschützter Raum

Die Delegationsteilnehmerinnen berichten von den vielfältigen Angeboten, aber auch von der Stimmung an den Orten der Frauenstiftung. Die Orte seien nicht nur Bildungszentren für Frauen, sondern auch ein sozialer Treffpunkt und geschützter Raum; Frauen fühlten sich sicher, könnten entspannen und unterstützten sich gegenseitig. Viele Frauen, die an Ausbildungen teilnehmen, blieben in der Stiftung und machten später selbst Bildungsarbeit. Im Stiftungshaus Qamişlo gebe es eine Schneiderei und Stickerei, die jetzt als Kollektiv zusammen arbeiteten und in einem kleinen Laden nebenan ihre gefertigten Kleider verkauften.

Nähkooperative der Frauenstiftung | Foto: A. Bender

Von Hesekê berichteten die Delegationsteilnehmerinnen, dass in der Gesundheitsstation der Stiftung eine Naturheilpraktikerin arbeite, die selber Salben, Tinkturen und Kapseln herstelle, Frauen behandele und ihr Wissen, das sie von ihrer Mutter und Großmutter erworben habe, in Seminaren z.B. auch in Camp al-Hol weitergebe.

Die Arbeit der Frauenstiftung in Camp al-Hol

Im anschließenden Bericht zur Arbeit von WJAS in Camp al-Hol wurde deutlich, wie wichtig diese Arbeit für in dem Auffang- und Internierungslager lebende Frauen ist. Das Camp wurde 1991 ursprünglich für 20.000 geflüchtete Iraker:innen im Golfkrieg geplant und später für 40.000 Menschen erweitert. Als der IS 2014 in Syrien und Irak große Gebiete besetzte, kamen Menschen, die vor dem IS flohen, in das Lager. Als das selbsternannte IS-Kalifat 2019 von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) besiegt wurde, wurden viele Frauen und Kinder aus den befreiten Gebieten ins Camp gebracht. Heute sind ca. 50.000 Menschen im Camp, etwa 25.000 Iraker:innen, die meisten schon seit 2004, ca. 18.000 Syrer:innen und ca. 7.500 Staatsangehörige aus Drittländern. Im Camp leben:
- Menschen, die vor dem IS geflohen sind,
- Menschen, die jahrelang unter IS-Herrschaft gelebt haben,
- IS-Unterstützerinnen und IS-Mitglieder, auch die, die während der IS-Herrschaft aus Drittstaaten nach Syrien gekommen sind.

Die Situation im Camp sei in humanitärer und sicherheitstechnischer Sicht sehr schwierig, so die Referentinnen. Die Autonomieverwaltung übernehme zwar Verantwortung für das Lager, habe aber nur sehr begrenzte Ressourcen. Deshalb sei es wichtig, dass die Herkunftsländer vor allem auch der Drittstaatenangehörigen Verantwortung für ihre Staatsbürger:innen übernähmen und Rückführungen vollzögen.

Das Leben im Lager sei für viele Frauen sehr belastend und teils gefährlich, sie fühlten sich unter Druck. Vor allem von den Frauen, die weiterhin der „IS-Ideologie“ anhängen, werde Druck ausgeübt. Hier setze die Arbeit der Frauenstiftung an, die diesen Frauen Bildungsangebote mache und sie stärke. Es gebe Seminare und Kurse zu gesundheitlichen und geisteswissenschaftlichen Themen und auch Ausbildungen z.B. im Nähen. Die Delegation habe an einem Gesundheitskurs und einer Zertifikatsverleihung teilnehmen und dabei das Lerninteresse der Teilnehmerinnen selbst erleben können. Das Stiftungszentrum habe sich auch zu einem sozialen Ort für die Frauen im Camp entwickelt, in den sie gerne auch außerhalb von Bildungsangeboten kommen und gemeinsame Zeit verbringen.

Seminar zur Naturheilkunde im Camp al-Hol | Foto: A. Bender

In einem Video berichtete dann eine WJAS-Mitarbeiterin von ihrer Arbeit im Camp al-Hol und ihren Wünschen: „Die Teilnehmerinnen mögen uns und sind begierig zu lernen. Die Frauen möchten heraus aus der Al-Hol-Atmosphäre, heraus aus den Zelten. Sie wollen sich und ihre vom ‚IS‘ geprägte Einstellung ändern. Nach dem Unterricht kommen die Frauen zu uns und sagen, dass sie uns weiterhin besuchen wollen, weil sie uns mögen. Sie bitten um Hilfe und wünschen, dass sie weitere Entwicklungsmöglichkeiten von uns erhalten. Sie wünschen für ihre Kinder, dass sie aus den Zelten kommen und die vom ‚IS‘ geprägte Einstellung verlieren. Sie möchten, dass wir mit den Kindern spielen, die noch so klein und unschuldig sind, damit sie Lieben lernen. Die Frauen wollen eine Berufstätigkeit erlernen, um von Männern unabhängig leben zu können. Darum wollen wir, dass Ihr uns helft, damit wir weiter arbeiten und die Projekte weiter entwickeln können. Vielen Dank!“

Zum Ende der Veranstaltung ergriff eine Person das Wort und berichtete über ihre Erfahrung von der Arbeit mit IS-Rückkehrer:innen. Sie erzählte, dass ähnliche Erfahrungen gemacht wurden, wie die Mitarbeiterin im Camp berichtet habe. Wenn sie Vertrauen aufbauen, seien auch Gespräche mit ihnen möglich. Ihr Ansatz wäre, über die Motivation zu reden, warum sie dorthin gegangen seien, und nicht über die Ideologie. Die Person erklärte, Kobanê sei das Stalingrad des IS gewesen und viele hätten versucht, zurück nach Europa zu kommen. Der IS sei jedoch nur eine Form gewesen, der Inhalt bleibe und in der aktuellen Situation wachse die Gefahr wieder.

Um den dringenden Ausbau der Arbeit von WJAS im Camp al-Hol zu ermöglichen, wurde das Spendenprojekt „Bildungsarbeit“ ins Leben gerufen worden.

Spendenkonto:
Kurdistanhilfe e.V.
Hamburger Sparkasse
IBAN: DE40 2005 0550 1049 2227 04
Stichwort: Bildungsarbeit

 

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