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Angriffe auf Rojava: Bundesregierung gibt sich ahnungslos


Stillschweigend wird wieder einmal hingenommen, dass die Türkei – ein Nato-Mitglied – Rojava angreift und damit Völkerrecht verletzt.

So unwissend hat man die Bundesregierung selten erlebt: Während die zivile Infrastruktur in Rojava durch türkische Luft- und Artillerieangriffe systematisch zerstört wird, Zivilpersonen und Verteidigungskräfte sterben, Millionen Menschen seit Wochen von der Wasser- und Energieversorgung abgeschnitten sind, gibt sich Berlin weiter ahnungslos. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine mündliche Frage der fluchtpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Clara Bünger, hervor.

Bünger: Innerhalb von 72 Stunden wurden 172 Angriffsziele bombardiert

Bünger hatte die Bundesregierung in der Fragestunde am vergangenen Mittwoch gefragt: „Seit dem 4. Oktober wird Nordostsyrien von der Türkei massiv bombardiert. Getötet wurden Zivilisten, darunter Kinder, Frauen und Männer. Es wurde zivile Infrastruktur zerstört. Allein in 72 Stunden wurden 172 Angriffsziele erwischt. Herr Buschmann, Sie haben gesagt, das Völkerrecht sei Ihnen wichtig und es dürfe keine Völkerstraftat ungesühnt bleiben. Der Wissenschaftliche Dienst hat diese Taten in Nordostsyrien in der Vergangenheit als völkerrechtswidrig eingestuft. Deshalb meine Frage an Sie: Wie bewerten Sie als Justizminister die türkischen Bombardements in Nordostsyrien?“


„Wer gezielt zivile Ziele bombardiert, verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht“

Justizminister Marco Buschmann (FDP) antwortete darauf: „Also, die Lage nach dem humanitären Völkerrecht ist völlig klar: Es darf keine gezielten Angriffe auf zivile Einrichtungen geben. Es sind Personen, die keine Kombattanten sind, also Zivilisten, zu schützen. Und wer gezielt zivile Infrastruktur zerstört, wer gezielt zivile Ziele bombardiert, der verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht.“ Eine vielversprechende Aussage angesichts der türkischen Angriffe. Allerdings ruderte der Justizminister im weiteren Verlauf wieder zurück: „Zu Details einzelner Vorfälle kann ich Ihnen jetzt keine präzise Auskunft geben, weil mir dazu keine detaillierten Berichte vorliegen. Aber die Lage nach dem humanitären Völkerrecht ist klar: Die Zivilbevölkerung ist zu schützen, zivile Einrichtungen sind zu schützen, und militärische Aktionen, die sich gezielt dagegen richten, verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht.“

Dass der Bundesregierung keine Erkenntnisse zu den Angriffen in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien durch ihren wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch wichtigen Partner Türkei vorlägen, ist kläglich und ernüchternd – und ein Beispiel, vielleicht das wichtigste, deutscher Doppelmoral auf dem Gebiet des Völkerrechts. Die jüngste Angriffswelle der türkischen Armee und die Zerstörung von achtzig Prozent der Infrastruktur in Rojava sind gut dokumentiert. Die offene Ankündigung des türkischen Außenministers Hakan Fidan am 4. Oktober, infrastrukturelle Einrichtungen als Vergeltung für den PKK-Anschlag in Ankara zu vernichten und damit die Versorgung der Bevölkerung lahmzulegen, ist der Bundesregierung gewiss nicht entgangen.

Keine Antwort auf Frage, warum es keine Ermittlungen gegen Türkei gibt

Bünger ließ in der Parlamentsdebatte nicht locker und hakte nach, warum der Generalbundesanwalt kein Strukturermittlungsverfahren gegen die Türkei eingeleitet hat, wenn Angriffe auf die zivile Infrastruktur Verbrechen nach dem Völkerrecht darstellten. Auch hier antwortete Buschmann nur ausweichend und sagte, das sei Sache des Bundesanwalts. Der Justizminister räumte sogar ein, keine Ahnung davon zu haben, nach welchen Kriterien der Generalbundesanwalt Verfahren nach dem Völkerstrafrecht einleitet.

Bünger: Ich erwarte eine klare Verurteilung

Bünger erklärte angesichts der schwammigen Antwort der Bundesregierung: „Ich begrüße, dass Justizminister Buschmann sich so klar zum humanitären Völkerrecht bekannt hat. Zugleich bin ich mehr als irritiert, dass er von den aktuell stattfindenden verbrecherischen Angriffen der Türkei auf Rojava keine Kenntnis haben will. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie das Vorgehen des NATO-Partners Türkei klar verurteilt und die türkische Regierung auffordert, die militärischen Angriffe umgehend einzustellen.“

 

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