Silopiya: Tränengas und Gummigeschosse gegen Bruderkrieg-Protest
In Silopiya haben türkische Polizei und das Militär Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse gegen Gegner:innen eines innerkurdischen Konflikts eingesetzt. Mehrere Personen mussten ins Krankenhaus, darunter der DBP-Vorsitzende Keskin Bayındır.
In der nordkurdischen Grenzstadt Silopiya haben die türkische Polizei und das Militär Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse gegen Teilnehmende einer Bündnisdemonstration politischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen eingesetzt. Hunderte Menschen aus der gesamten Provinz Şirnex (tr. Şırnak) und umliegenden Städten waren aus Sorge vor einer Neuauflage des Birakujî („Brudermord“) zwischen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) auf die Straße gegangen. Unter den Beteiligten waren auch führende kurdische Politikerinnen und Politiker, darunter die beiden DBP-Vorsitzenden Saliha Aydeniz und Keskin Bayındır. Letzterer wurde bei dem Angriff verletzt und musste mit weiteren Demonstrierenden ins Krankenhaus gebracht werden. Aydeniz, die als YSP-Abgeordnete im türkischen Parlament sitzt, ist von einem Soldaten mit dem Tod bedroht worden. Zuvor konnte sie mehreren versuchten Faustschlägen ausweichen.
„Unsere Bedenken um einen erneuten Krieg zwischen Geschwistern ist
berechtigt“, hieß es in einem Aufruf zu der Demonstration in Silopiya,
zu der unter anderem das Graswurzelbündnis Demokratischer
Gesellschaftskongress (KCD), die Bewegung freier Frauen (TJA), die
Partei der demokratischen Regionen (DBP) und die Initiative der
Friedensmütter mobilisierten. Am Donnerstag hatten PDK-Truppen in
Südkurdistan, die am Abend zuvor in die nordöstlich von Hewlêr liegende
Gemeinde Sîdekan verlegt worden waren, Stellungen der Guerilla in
Gewriya Zînê angegriffen. Nach dem Angriff brachen Gefechte aus, die Lage blieb bis zuletzt angespannt.
Um die Verantwortlichen zur Zurückhaltung zu mahnen, veranstaltete das
Bündnis unter dem Motto „Em xiyanetê qebûl nakin – Em ê destkeftiyên xwe
biparêzin“ (Wir akzeptieren keinen Verrat – Wir verteidigen unsere
Errungenschaften) einen Protestzug bis zum türkisch-irakischen
Grenzübergang Habur/Zaxo. Polizei und Militär hatten sich bereits früh
an zentralen Zufahrtsstraßen in Position gebracht und Absperrungen
aufgebaut, um den Aufmarsch zu verhindern.
Vor dem Start der Demonstration mussten sich die Beteiligten jedoch in
der Innenstadt von Silopiya einer Kontrolle ihrer staatlich
gespeicherten Daten (GBT) unterziehen. Mit der Parole „Bimre îxanet“
(Nieder mit Verrat) zog die Menge im Anschluss los. Auf der Strecke
provozierten Militär und Polizei immer wieder die Beteiligten. Unter
anderem beschlagnahmte ein Beamter der Gendarmerie grundlos das
Fronttransparent, auf dem das Motto der Demonstration zu lesen war. Die
Parlamentsabgeordnete Newroz Uysal Aslan
von der Grünen Linkspartei (YSP), die lange Jahre als Verteidigerin des
kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan arbeitete, lief dem
Militärangehörigen nach und riss ihm das Transparent aus der Hand. Nach
dem Vorfall wurde das Vorgehen gegen die Demonstrierenden noch
aggressiver. Sicherheitskräfte gingen auch gegen Mitarbeitende der
anwesenden Parlamentsabgeordneten sowie Medienschaffende vor, die die
Demonstration beobachteten. Mehrere Journalist:innen wurden von Soldaten
drangsaliert und zu Boden gestoßen.
Aufgrund der Gewalt musste die Demonstration vorzeitig beendet werden.
Saliha Aydeniz hielt eine Ansprache, in der sie sagte: „Wir sind nach
Silopiya gekommen, um zu zeigen, dass Grenzen künstliche Unterbrechungen
von etwas Kontinuierlichem sind und Kurdistan die Heimat aller
Kurdinnen und Kurden ist. Wir wollen die PDK aufrufen, sich eindringlich
für die Interessen ihres Volkes einzusetzen, statt als verlängerter Arm
des türkischen Staates zu agieren. Der Umgang des türkischen Staates
mit unserer Bevölkerung ist seit hundert Jahren derselbe und durchzogen
von Gewalt, Brutalität und Rücksichtslosigkeit. Wir verurteilen
kurdische Kräfte wie die Familie Barzanî, die in Kurdistan für die
Interessen des türkischen Staates eintreten. Angriffe von Kurden gegen
Kurden betrachten wir als Verrat und Dolchstoß. Sie dienen den Besatzern
und Feinden, uns unsere Errungenschaften zu entreißen. Wir fordern die
PDK zur Verantwortung und Parteinahme für ihr eigenes Volk anstelle des
türkischen Staates auf.“
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