„Lasst uns desertieren“ – Aufruf von Elfriede Jelinek und Konstantin Wecker
Die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und der Liedermacher Konstantin Wecker rufen zum globalen Antikriegstag in Solidarität mit dem Internationalen Kurdischen Kulturfestival Frankfurt dazu auf, aus allen Angriffskriegen zu desertieren.
Die österreichische Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und der deutsche Liedermacher Konstantin Wecker haben einen gemeinsamen Aufruf zum globalen Antikriegstag am 1. September verfasst. Der vorab in der deutschen Wochenzeitung „der Freitag“ abgedruckte Text erscheint in Solidarität mit dem Internationalen Kurdischen Kulturfestival am 9. September in Frankfurt am Main, dessen Schirmpat:innen die beiden Autor:innen sind. Darin wenden Jelinek und Wecker sich auch gegen „die deutsche Regierung, die deutschen Konzerne und die deutsche Rüstungsindustrie“, die „bis heute das verbrecherische und rassistische Erdogan-Regime unterstützen“.
„Solange es die Menschen noch schaffen“
„Diese imperialen Kriege müssen sofort beendet werden: Der Krieg gegen die Menschen in der Ukraine genauso wie der gegen die Kurd:innen in der Türkei, in Nordsyrien, im Iran“, heißt es in dem Text. „Ebenso müssen die drohenden, noch viel größeren Kriege verhindert werden. Solange es die Menschen weltweit noch schaffen können“, fordern Jelinek und Wecker unisono.
ANF veröffentlicht den Text am 31.08.2023 in seiner gesamten Länge:
Lasst uns wieder das Hoffen lernen – und aus allen imperialen Kriegen desertieren
„Im Tornado des Krieges, der mit steigenden Rüstungsaktien
drohend sich kündet, stürzt sich Europa in den Abgrund des Selbstmords.
(…) Um ehrlich zu sein, muss man wissen. Um tapfer zu sein, muss man verstehen. Um gerecht zu sein, darf man nicht vergessen“, schrieb
der Schriftsteller Ernst Toller am Tag der Verbrennung seiner Bücher in
Deutschland*. Nur sechs Jahre zuvor hatte er seinen Protagonisten Karl Thomas in seinem Stück „Hoppla, wir leben!“ eine Geschichte erzählen lassen, „die passiert ist, bei der ich dabei war“ im 1. Weltkrieg:
„Plötzlich, nachts, hörten wir Schreie, so, als wenn ein Mensch furchtbare Schmerzen leidet. Dann war´s still. Wird wohl einer zu Tode getroffen sein, dachten wir. Nach einer Stunde vernahmen wir wieder Schreie, und nun hörte es nicht mehr auf. Die ganze Nacht schrie ein Mensch. Den ganzen Tag schrie ein Mensch. Immer klagender, immer hilfloser. (…) Er schrie, wie ein Säugling schreit, nackt, ohne Worte. Vier Tage und vier Nächte schrie er. Für uns waren es vier Jahre. Wir stopften uns Papier in die Ohren. Es half nichts. Dann wurde es still.
Nicht: der Feind. Der Mensch. Der Mensch schrie. (…) In solchen Stunden, in denen man, wie soll ich's sagen, hinabsteigt bis zum Grundwasser, fragt man sich: Warum das alles? Wofür das alles? Würdet ihr auch so fragen?
In allen Ländern grübelten die Menschen über die gleiche Frage. In allen Ländern gaben sich Menschen die gleiche Antwort. Für Gold, für Land, für Kohlen, für lauter tote Dinge, sterben, hungern, verzweifeln die Menschen, hieß die Antwort. Und dort und dort standen die Mutigsten des Volkes auf, riefen den Blinden zu ihr hartes Nein, wollten, daß dieser Krieg aufhörte und alle Kriege, kämpften für eine Welt, in der es alle Kinder gut hätten.“
Schon fast 20 Monate dauert der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Täglich werden Menschen getötet und verstümmelt. So wie bei allen imperialen Kriegen wie dem des Nato-Staates Türkei gegen die Menschen in Kurdistan und in den selbstverwalteten Regionen Rojavas in Nordsyrien oder dem Krieg Saudi-Arabiens im Jemen sowie in den vergangenen Kriegen wie denen der Nato 1999 gegen die Republik Jugoslawien, 2001 gegen Afghanistan oder beim Krieg der US-geführten „Koalition der Willigen“ 2003 gegen Irak.
Die Aussichten auf ein baldiges Ende des Kriegs gegen die Ukraine stehen schlecht, der Krieg ist zu einem „Abnutzungskrieg“ geworden. Er wird nicht gewonnen werden, sondern wie so oft in der Weltgeschichte viel zu spät zu Ende gehen. Wir sollten verstehen, um zu handeln.
Diese imperialen Kriege müssen sofort beendet werden: Der Krieg gegen
die Menschen in der Ukraine genauso wie der gegen die Kurd*innen in der
Türkei, in Nordsyrien, im Iran. Ebenso müssen die drohenden, noch viel
größeren Kriege verhindert werden. Solange es die Menschen weltweit noch
schaffen können. Wir haben nicht vergessen, was der österreichische
Autor Karl Kraus geschrieben hat: „Als zum erstenmal das Wort
,Friede‘ ausgesprochen wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie
schrien auf im Schmerz: Wir haben verdient! Lasst uns den Krieg! Wir
haben den Krieg verdient!“
Als Künstler*innen, als eine Literatin und ein Musiker bestehen wir darauf, was Ernst Bloch in seinem Werk „Das Prinzip Hoffnung“ formuliert hat: „Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. (…) Der Affekt des Hoffens geht aus sich heraus, macht die Menschen weit, statt sie zu verengen (…) Die Arbeit dieses Affekts verlangt Menschen, die sich ins Werdende tätig hineinwerfen, zu dem sie selber gehören. (…). Wie reich wurde allzeit geträumt, vom besseren Leben geträumt, das möglich wäre. (…)“
Ein besseres Leben für alle Menschen auf unserer Welt ist möglich – davon zu träumen, darüber zu schreiben, davon zu singen, darauf zu bestehen und sich gemeinsam dafür zu engagieren, das wollen wir alle einzeln und zusammentun: Heute, hier beim kurdischen Kulturfestival in Frankfurt, und überall und jeden Tag weltweit.
Wir werden niemals aufhören, zu träumen von einer herrschaftsfreien Welt ohne Kriege, Faschismus, Rassismus, Patriarchat, ohne die zerstörerische Ausbeutung von Menschen und Natur. Die Aufstandsbewegung im Iran nach der Ermordung der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini hat weltweit Hoffnung auf eine globale feministische Perspektive wachsen lassen: Jin, Jian, Azadi – Frau, Leben, Freiheit – woman live freedom! Diese visionäre Position hat eine lange Geschichte in der kurdischen feministischen Bewegung für Geschlechtergerechtigkeit.
Unsere Träume können die Kriegsherren und Politiker*innen dieser Welt weder verbieten noch können sie unsere Versuche, diese Wirklichkeit werden zu lassen, auf Dauer verhindern. Weder in Ankara, noch in Teheran, weder in Moskau, in Washington, Peking oder Berlin.
„Es ist unsere Verantwortung, als Intellektuelle oder einfach als nachdenkliche Menschen zu versuchen, zumindest zu überlegen, wie etwas Besseres aussehen könnte. Und wenn es Leute gibt, die tatsächlich versuchen, etwas Besseres zu schaffen, liegt es in unserer Verantwortung, ihnen dabei zu helfen“, sagte David Graeber über die Bedeutung der „echten Revolution“ in Rojava in einem Gespräch mit der Journalistin Pinar Öğünç. Das spricht uns aus der Seele. Der Anthropologe, Anarchist und Antifaschist David Graeber ist am 2. September 2020 viel zu früh aus dem Leben gerissen worden. Er, der Denker, der Forscher und Occupy-Aktivist versichert seinen Leser*innen stets, dass wir die Probleme der Welt überwinden können, indem wir Alternativen schaffen. Darum sollten wir nie aufhören zu träumen, zu hoffen und uns auf die Suche machen.
Unerträglich ist dagegen die Tatsache, dass die deutsche Regierung, die deutschen Konzerne und die deutsche Rüstungsindustrie bis heute das verbrecherische und rassistische Erdogan-Regime unterstützen: Damit machen sich die regierenden Politiker*innen mitschuldig an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg – denn die türkische Nato-Armee begeht ihre Kriegsverbrechen auch mit deutschen Waffen und mit deutschen Panzern wie bei der völkerrechtswidrigen Besetzung des nordsyrischen Kantons Efrin 2018 und der Vertreibung der dortigen kurdischen und ezidischen Bevölkerung.
So ist auch der Händedruck der deutschen Innenministerin in Ankara mit
ihrem türkischen Kollegen 2023 empörend und erhellend zugleich: Nichts
an der deutschen (Außen-)Politik ist feministisch, sie ist verlogen und
heuchlerisch. Der Angriffskrieg des türkischen Erdogan-Regimes gegen die
Menschen in Rojava in Nordsyrien und in Südkurdistan im Nordirak ist
völkerrechtswidrig und ein Verbrechen gegen die Menschheit. Er muss
sofort gestoppt werden. Doch die deutsche Regierung schweigt und
besiegelt damit erneut ihren schmutzigen Deal mit dem Nato-Partner
Türkei gegen Geflüchtete. Dieser Pakt ist tödlich für sehr viele
Menschen. Sie sterben im Mittelmehr, an den Außengrenzen der Festung
Europa und in den Folterkellern der „Verbündeten“.
Rojava und Kurdistan gehen uns alle an: Die Menschen von Rojava brauchen jetzt unsere weltweite Solidarität. Und wir brauchen die Utopie von Rojava: Dieses gesellschaftliche Experiment einer basis- und rätedemokratischen, feministischen, ökologischen und sozial gerechten, multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft in einer Region patriarchaler Autokraten, von Gewalt und Kriegen. Seit Jahren ist das selbstverwaltete Projekt in Rojava der einzige Hoffnungsschimmer für viele Menschen in der gesamten Region für Frieden und eine antirassistische Solidarität gegen Hass und Zerstörung.
Deshalb wünschen wir uns, dass sich auf der ganzen Welt viele Menschen engagieren und auf die Straßen gehen für Rojava und gegen die Kriege: Wir brauchen eine weltweite Welle des zivilen Ungehorsams, damit wir alle Waffenlieferungen stoppen! Gestoppt werden muss endlich auch der tödliche EU-Türkei-Deal gegen alle Menschen, die vor Krieg, Hunger, Not und Zerstörung flüchten müssen. Er war der Auftakt für die Abschaffung des Asylrechts im Juni dieses Jahres und die EU-Politik gegen Geflüchtete. Es geht um die Menschen und die Menschlichkeit! Stoppen wir die Kriege jetzt!
In ihrem Text für die Initiative „Schriftsteller bitten Russen, sprechen Sie die Wahrheit aus“ hat Elfriede Jelinek 2022 geschrieben:
„Klar gesagt: Was Ihnen gezeigt wird, stimmt nicht. Die Bilder lügen, es fehlen ihnen die Worte. (…) Ein großes Kulturvolk wie das russische, dessen Literatur ich immer bewundert habe, darf nicht in diesen plumpen Unwahrheiten erstarren, es muß die Wahrheit sprechen. So wie Ihre wunderbaren Dichterinnen und Dichter, Ihre Schriftsteller und Denker, die Wahrheit gesagt haben und damit zum Eigentum der Menschheit geworden sind. Lassen Sie sich aus dieser Gemeinschaft nicht ausschließen, sagen auch Sie jedem die Wahrheit, der Ihnen zuhört, daß dieser Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat wie die Ukraine beendet werden muß, sofort.“
Konstantin Wecker hat in seinem Antikriegsmanifest am 3. März 2022 geschrieben: „Lasst uns unsere FriedensfreundInnen in Russland unterstützen: Es braucht dort eine Massenmobilisierung gegen den Aggressionskrieg, eine Aufforderung an alle russischen Soldaten, sofort den Befehl zu verweigern und zu desertieren. Nur eine Revolte unter den russischen Soldaten kann diesen Krieg sofort stoppen! Und die Älteren unter uns werden sich erinnern: So war es auch in Vietnam – der Anfang vom Ende des US-Angriffskrieges damals war die massenhafte Desertion und die Revolten der einfachen US-Soldaten gegen ihre Offiziere und Generäle.“
Wir wollen von einem weiteren Kriegsverbrechen erzählen: Einem Massaker, das in den Bergen Kurdistans von Offizieren und Soldaten des Nato-Mitglieds Türkei begangen worden ist. Die Täter sind bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen worden und weil es sich in wenigen Wochen zum 25. Mal jährt. Es ist ein Beispiel von vielen: Die Münchnerin Andrea Wolf / Ronahi sowie der kurdische Musiker Hoznan Hogir und mindestens eine weitere Person sind am 23. Oktober 1998 als unbewaffnete Gefangene von Offizieren und Soldaten der türkischen Armee in den Bergen der kurdischen Region Wan (türk. Van) nach ihrer Festnahme gefoltert und hingerichtet worden. Erst 15 Jahre später konnte im September 2013 ein Friedhof in den Bergen von Keleh bei Catak in der Nähe des Massakers eröffnet werden, doch die Angehörigen der Getöteten konnten physisch vor Ort nur kurze Zeit an ihre Liebsten erinnern. Nur zwei Jahren später, am Sonntag, den 29. November 2015, wenige Wochen nachdem Angela Merkel in Ankara den „EU-Türkei-Deal“ gegen Geflüchtete besiegelt hatte, hat das türkische Militär mit Helikoptern, Kampfflugzeugen und Granaten den nach der deutschen Internationalistin, Feministin und Antifaschistin Andrea Wolf benannten Friedhof sowie die Gedenkstätte und das Dokumentationszentrum bombardiert und zerstört. So wie sie viele andere Friedhöfe in Kurdistan bombardiert und zerstört hat. Übrigens ist auch das ein Kriegsverbrechen nach internationalem Völkerrecht.
Sie bomben nicht nur die Lebenden, sie bomben auch die Getöteten und Ermordeten, weil sie die Erinnerung an ihre Ideen und ihre Träume auslöschen wollen. Doch das wird ihnen nicht gelingen. Wir sollten uns an die Ideen und Utopien der Getöteten erinnern, damit sie niemals vergessen werden, weder die Ideen, noch die Menschen: „Ich würde mir wünschen, dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe, die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen würden. Einfach den Nachschub kappen. Ich weiß, es ist angesichts des Zustands in den Metropolen utopisch (...) Auch auf längere Zeit wird es so bleiben. Schade, das wäre was. Eine militante Bewegung, die die Kriegsmaschine lahmlegt.“ Andrea Wolf schrieb diese Sätze mit 32 Jahren am 1. Mai 1997 in den Bergen Kurdistans, knapp 17 Monate vor ihrer Ermordung.
„Um gerecht zu sein, darf man nicht vergessen“, schrieb der Schriftsteller Ernst Toller am Tag der Verbrennung seiner Bücher in Deutschland. Und so wollen wir analog zu unserem Aufruf an die Menschen in Russland, die Menschen in Deutschland heute am internationalen Antikriegstag dazu aufrufen, endlich ihr Schweigen zu beenden und die Wahrheit auszusprechen: Die deutsche Regierung liefert bis heute Waffen u.a. an ihren Nato-Partner Türkei und mit diesen Waffen werden täglich Menschen getötet und völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt. Die Abkommen der EU und der deutschen Regierung mit der Türkei sind mitverantwortlich für das Massensterben von Geflüchteten im Mittelmeer und den EU-Außengrenzen.
In dem Aufruf „Die Katastrophe verhindern“ forderte Elfriede Jelinek mit weiteren Intellektuellen bereits 2019: „Statt
Erdogans Diffamierung der Kurden und überhaupt aller Oppositionellen
als ,Terroristen‘ zu flankieren, sollte die EU die Kooperation
überprüfen, die sie in der Migrationspolitik mit Ankara eingegangen ist.
Dies richtet sich insbesondere an die deutsche Regierung, die bereits
das Zeigen kurdischer Symbole verbietet. Im Gegenzug ist das Recht von
Menschen aus Syrien, in Deutschland und Europa Schutz vor ihren
Verfolgern zu finden, ausdrücklich zu garantieren. Das läge auch im
eigenen Interesse: Wer demokratische Prozesse schwächt oder gar
zerstört, indem er autoritären Regimes freie Hand lässt, wird diese Welt
für niemanden sicherer machen können.“
An dieser Stelle wollen wir die sofortige Freilassung von Abdullah
Öcalan fordern, der seit 1999, also seit 24 Jahren in Isolationshaft auf
der Gefängnisinsel Imrali festgehalten wird. In seinem Buch „Jenseits von Staat, Macht und Gewalt“ schreibt der kurdische Politiker, Repräsentant und bedeutende Theoretiker:
„Attraktiv finde ich ethisch-politische Menschen, die Freundschaft
mit Tieren pflegen, in Eintracht mit der Natur leben, auf einem
Gleichgewicht der Geschlechter aufbauen, in Freiheit, Gleichheit und
Liebe leben und die Kraft der Wissenschaft und der Technik davor
bewahren, Spielzeug für Krieger und Mächtige zu sein. Ich rede definitiv
nicht von einer Sehnsucht, die durch die Haft in einem
Ein-Personen-Gefängnis hervorgerufen wird! Ich rede von einem
geistig-seelischen Paradigma. Kategorisch sage ich: das Anbeten von
Kraft und Macht, das funkelnde und glitzernde Leben aller blutbesudelten
Zivilisationen, ich habe es wirklich satt und hasse es.
(… Der Bruch mit der hierarchischen, etatistischen Klassenzivilisation
ist die stärkste Selbstkritik. Ich glaube daran, dass ich ihn
erfolgreich vollziehen werde. Die Kindheit der Menschheit, die ins
Vergessen gestoßene Geschichte der Werktätigen und der Völker, die
Welten der Freiheit und der Gleichheit in den Utopien der Frauen, der
Kinder und der Kind gebliebenen Greise – ich will mich lieber an ihnen
beteiligen, dort einen Erfolg erzielen.
All das ist Utopie. Aber manchmal sind Utopien die einzig rettende Inspiration. Aus den heutigen Bauten, die schlimmer sind als Gräber, wird man natürlich durch Utopien ausbrechen. (…)“
Eine gerechte und friedliche Lösung für die Menschen in Kurdistan setzt die Freilassung von Abdullah Öcalan und die Aufhebung des Verbotes der PKK in Deutschland voraus.
„Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“ Mit diesem Satz hat Martin Löwenberg (1925 – 2018) auf vielen gemeinsamen Demonstrationen Menschen zur Zivilcourage ermutigt, zum Beispiel Nazi-Aufmärsche durch Blockaden zu verhindern, Menschenleben zu retten und Geflüchtete zu verstecken. „Es kann legitim sein, was nicht legal ist“, sagt der frühere KZ-Häftling und Widerstandskämpfer Martin Löwenberg in dem gleichnamigen Dokumentarfilm von Petra Gerschner und Michael Backmund über sein Leben gegen Faschismus, Unterdrückung und Krieg.
Wir wollen unseren Beitrag mit dem Gedicht „Am Ende der Zeit“ der Lyrikerin Rose Ausländer (1901-1988) schließen. 1941 sperrten die Faschisten Rose Ausländer ins Ghetto Czernowitz. Dort lernte sie den Lyriker Paul Celan kennen, beide verband eine lebenslange Freundschaft und ihre Liebe zur Poesie. Auch nach der Auflösung des Ghettos durfte Rose Ausländer die Stadt nicht verlassen, entzog sich aber Zwangsarbeit und Deportation und überlebte in einem Kellerversteck Holocaust und Krieg. Dieses Gedicht ist voller Liebe zu den Menschen und voller Sehnsucht und Hoffnung auf ein Leben nach dem Krieg. Und das ist es, was wir von Herzen besonders auch den Menschen in allen Teilen Kurdistans wünschen, die seit über 100 Jahren unter kolonialer Unterdrückung und Krieg leiden, dass der Krieg, der stets „Terror der Mächtigen“ ist, endlich endet:
Am Ende der Zeit
Wenn der Krieg beendet ist
am Ende der Zeit
gehn wir wieder spazieren
in der Muschelallee
einverstanden
mit Mensch und Mensch
Es wird schön sein
wenn es sein wird
am Ende der Zeit
*„Die Barbarei triumphiert, Nationalismus und Rassenhass und Staatsvergottung blenden die Augen, die Sinne, die Herzen. Viele haben gewarnt, seit Jahren gewarnt. Daß unsere Stimmen verhallten, ist unsere Schuld, unsere größte Schuld“, schreibt Ernst Toller im Exil am 10. Mai 1933 in seinem Text „Blick 1933“. Diesen Text stellt er als Vorwort seinem beeindruckenden Werk „Eine Jugend in Deutschland“ voran. Als Antimilitarist schwer verletzt aus den Schützengräben des 1. Weltkrieges zurückgekehrt, beteiligte sich Toller seit 1917 mit Kurt Eisner, Sarah Sonja Lerch, geb. Rabinowitz, Erich und Zenzl Mühsam und vielen anderen in München an den Vorbereitungen der Revolution: Beim Streik der Munitionsarbeiter*innen im Januar 1918 wird Toller verhaftet, im November 1918 ist er beim Sturz der Monarchie und der Räterevolution aktiv dabei. Nach der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik durch die Truppen des SPD-Bluthundes Noske und seiner Verbündeten, den präfaschistischen Freikorps, wird Toller wegen Hochverrates zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. „Nein, ich war nie allein in diesen fünf Jahren, in der trostlosesten Verlassenheit nie allein. Die Sonne hat mich getröstet und der Mond, Wind, der über eine Pfütze strich und sie wellte zu fliehenden Kreisen, Gras, das im Frühjahr wuchs zwischen Steinen des Hofes, ein guter Blick, ein Gruß geliebter Menschen, Freundschaft der Kameraden, der Glaube an eine Welt der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Menschlichkeit, an eine Welt ohne Angst und ohne Hunger“, schreibt Toller am Ende seines Werkes „Eine Jugend in Deutschland“. Bis zu seinem Tod am 22. Mai 1939 im New Yorker Exil schreibt und kämpfte er weiter gegen Kapitalismus und Krieg und den immer stärker werdenden deutschen Faschismus an. Seine literarischen Werke und Dramen sind Ermutigung und Mahnung zugleich.
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