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Gewalt durch Polizei und Lynchmobs im Erdbebengebiet


Im Erdbebengebiet in der Türkei kommt es zu Gewaltexzessen. Offenbar versucht der Staat, vom eigenen Versagen bei der Erdbebenkatastrophe abzulenken und die Wut in der Bevölkerung auf Geflüchtete und Plünderer umzulenken.

In zehn vom Erdbeben betroffenen Provinzen in der Türkei ist ein dreimonatiger Ausnahmezustand ausgerufen worden. In den sozialen Medien wird inzwischen vermehrt von Diebstählen, Plünderungen und Gewalt im Erdbebengebiet berichtet. Unbestätigten Angaben zufolge sind in Defne in der Provinz Hatay drei Personen brutal gelyncht worden. In Videoaufnahmen, die aus Polizei- und paramilitärischen Kreisen verbreitet werden, sind drei leblose Menschen mit deutlichen Gewaltspuren zu sehen. Die Videos zeigen auch, dass die Polizei nicht gegen den Lynchmob interveniert. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Berichte über Polizeigewalt im Erdbebengebiet.

Die gewalttätige Atmosphäre wird von der türkischen Regierung und den Medien angeheizt. Offenbar versucht der Staat, vom eigenen Versagen bei der Erdbebenkatastrophe abzulenken und die Wut in der Bevölkerung auf Geflüchtete umzulenken. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan rechtfertigt den Ausnahmezustand mit Plünderungen und AKP-Sprecher Ömer Çelik sagte bei einem Besuch im Krankenhaus in Adana am 10. Februar: „Wir werden bei Plünderungen mit äußerster Härte vorgehen.“

Justizminister Bekir Bozdağ gab heute eine Erklärung zu vermeintlichen Plünderungen und Diebstählen im Erdbebengebiet ab und erklärte, dass 64 Verdächtige in 75 Fällen strafrechtlich verfolgt werden. 57 von ihnen seien verhaftet worden, gegen sieben Verdächtige wurde eine gerichtliche Kontrolle verhängt.

In den sozialen Medien werden weiterhin unbestätigte Fotos und Videos veröffentlicht, die den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte und nicht identifizierte Personen bei angeblichen Diebstählen und Plünderungen zeigen.

In Semsûr (tr. Adiyaman) wurden am Samstagabend fünf freiwillige Rettungshelfer aus Amed (Diyarbakir) festgenommen und auf der Polizeidirektion schwer misshandelt. Unter anderem wurde ihnen eine Waffe an den Kopf gehalten und sie wurden mit kaltem Wasser übergossen, bevor sie nackt auf der Straße ausgesetzt wurden.

Der Vorsitzende des Menschenrechtsvereins (IHD) in Gurgum (Maraş), Selçuk Delibaş, erklärte gegenüber der Onlinezeitung Karinca, dass ihm kein Fall von Plünderung oder Diebstahl bekannt sei. Der AKP-Sprecher habe mit seinem öffentlichen Aufruf „Zeigt keine Gnade" Gewalt provoziert, so der IHD-Vorsitzende: „Solche Reden ermutigen die Polizei. Wenn es Räuber gibt, werden sie gefasst und verurteilt. Wir haben keine eindeutigen Informationen, aber wir haben gehört, dass Menschen, die in ihre Häuser gehen und etwas suchen, als Diebe verprügelt werden. Die Menschen sind in einer sehr schlechten Situation und in einer zerstörten psychischen Verfassung. Maraş gibt es nicht mehr. Es gibt einen großen Schmerz in der Bevölkerung. Ihre Häuser wurden zerstört, sie haben ihre Angehörigen verloren. Diese Situation macht sie anfällig für Provokationen.“

 

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