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Frauen in Rojava feiern 18-jähriges Bestehen von Kongra Star


Seit 2005 existiert in Rojava eine organisierte Frauenbewegung, die die Gesellschaft verändert hat: Kongra Star folgt der Maxime, dass keine Frau ohne Organisierung zurückgelassen werden soll. Heute feiert die Dachorganisation ihr 18-jähriges Bestehen.

 
 

In der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien wurde heute ausgiebig, bunt und kämpferisch gefeiert. Grund dafür ist das Gründungsjubiläum des Dachverbands der Frauenbewegung Kongra Star. Seit nunmehr 18 Jahren stellt die Organisation die Rechte und Interessen von Frauen und Mädchen in den Mittelpunkt ihres Wirkens, setzt sich für die Verwirklichung der Rechte auf Selbstbestimmung und die Gleichberechtigung aller Geschlechter ein, kämpft in allen Bereichen des Lebens gegen Ungleichheit und Patriarchat und wendet sich gegen jede Form von Gewalt, Sexismus und Rassismus. Und: Kongra Star trägt eine maßgebliche Rolle daran, dass Frauenrechte im gesellschaftlichen System von Nord- und Ostsyrien verankert sind und die Selbstorganisation und Selbstverteidigung von Frauen immer weiter ausgebaut wird. Das Selbstverständnis der Bewegung: „Frauen müssen sich selbst organisieren. Nur dann können sie die bestehenden patriarchalen Strukturen herausfordern und machbare, nachhaltige Alternative schaffen. Ohne die Freiheit der Frauen ist eine wirklich freie Gesellschaft unmöglich.“

In nahezu allen Städten im Autonomiegebiet haben die lokalen Koordinierungsstrukturen von Kongra Star große Säle angemietet, um ihr 18-jähriges Bestehen zu feiern. Selbst in kleineren Orten wie Ehdas, das südlich von Tel Rifat liegt, und im Viertel Shaqif (ku. Şêqif) von Aleppo. Unter den Gästen dort war auch Amina Xidro aus dem Exekutivrat der Kongra Star. Sie würdigte, dass die Frauen Nord- und Ostsyriens trotz Embargo, Krieg und Terror „hartnäckig emanzipiert“ blieben und selbstbestimmt und sicher weitere Erfolge verbuchten. „Wir Frauen haben unsere Gesellschaft verändert. Wir haben in allen Bereichen des Lebens positive Veränderungen und soziale Gerechtigkeit erwirkt. Und wir haben das Niveau des Widerstands angehoben. Das dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass wir zu einer großen Bedrohung für den Feind geworden sind. Aber das ist gut so“, sagte Xidro.

An der Feier in Ehdas, einem Örtchen im Kanton Şehba, beteiligten sich augenscheinlich viele Frauen aus Efrîn. Sie waren aus den umliegenden Camps angereist, die die Autonomieverwaltung 2018 unter dem Eindruck des türkisch-dschihadistischen Angriffskrieges auf den ehemals selbstverwalteten Kanton für die Vertriebenen eingerichtet hat. Deshalb widmete Rîhana Elo, Vorstandsmitglied bei den lokalen Frauenstrukturen, die Feier anlässlich des Gründungsjubiläums von Kongra Star „vor allem den Frauen aus Efrîn, die selbst in Auffanglagern und Hausruinen den Widerstand fortsetzen und dafür kämpfen, dass alle Frauen frei sind“.

Von Yekîtiya Star zu Kongra Star

Die Frauenbewegung in Rojava wurde am 15. Januar 2005 unter dem Namen Yekîtiya Star gegründet. Ihre Aktivistinnen waren massiven Repressionen wie Verhaftung und Folter durch das syrische Baath-Regime ausgesetzt. Trotz schwerster Bedingungen haben sie mit ihrer Arbeit Grundlagen für Frauenorganisierung geschaffen, indem sie in allen westkurdischen Städten mit dem Aufbau von Frauenräten und -kommunen begannen. Dabei konnten sie auf die 30-jährige Erfahrung der kurdischen Frauenbewegung aus allen Teilen Kurdistans zurückgreifen.

Doppeltes Engagement

Auf ihrem 6. Kongress im Februar 2016 hat sich Yekîtiya Star umbenannt in Kongra Star (nach nordkurdischer Mundart auch Kongreya Star). Star ist in der kurdischen Mythologie der Name der Göttin Ischtar (Inanna) und bedeutet im heutigen Sprachgebrauch auch Stern. In der Kongra Star organisieren sich Frauen und Frauenorganisationen auf kommunaler, städtischer und kantonaler Ebene autonom und übernehmen ebenso engagierte Verantwortung in der gesamtgesellschaftlichen Organisierung. Durch dieses doppelte Engagement wird von der Frauenbewegung aktiv die Gesellschaft von einer patriarchalen in eine geschlechterbefreite umgestaltet und in allen Lebensbereichen die Perspektiven der Frauenbewegung eingebracht.

Treibende Kraft für friedliches Zusammenleben

So ist Kongra Star treibende Kraft für das friedliche Zusammenleben aller Interessengemeinschaften, Ethnien und Religionsgruppen in einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft. Sie ist eine Plattform für die Einheit der Frauen verschiedener politischer Parteien, Ethnien und Religionen in Rojava wie arabischen, assyrischen und kurdischen, ezidischen, muslimischen, alevitischen und christlichen Frauen. In den befreiten Städten Westkurdistans wurden Frauenkomitees, -zentren und -akademien ins Leben gerufen, um die aktive Beteiligung von Frauen an der Umgestaltung der Gesellschaft zu ermöglichen. Die dort gebotene Bildung reicht von Themen wie demokratische Autonomie, Selbstverteidigung, Kultur, Ökologie, die Geschichte der Frau, Sexismus und Frauenrechte bis hin zu gesundheitlichen Themen. Ein Schwerpunkt liegt auf Alphabetisierung und Unterricht in kurdischer Sprache. An vielen Orten wurden Frauenhäuser, die Mala Jin, eröffnet. Die Frauenhäuser sind nicht nur Schutzräume bei Fällen von häuslicher Gewalt und Missbrauch, sondern auch Bildungs- und Beratungszentren, in denen sich die Frauen treffen, in denen Bildungs- wie auch Beratungsarbeit stattfindet. Die Frauenräte sind das verbindende und beschlussfassende Gremium aller Frauen auf Stadt- bzw. Kantonsebene. In allen Städten Westkurdistans und in den syrischen Städten, in denen viele Kurd:innen leben, wurden Frauenräte mit 150 bis 250 Mitgliedern gewählt, um die politischen Interessen von Frauen zu vertreten und den Aufbau einer demokratisch-ökologischen, geschlechterbefreiten Gesellschaft voranzutreiben.

Ausweitung des Arbeitsgebiets

Die Frauenräte entsenden Vertreterinnen in die allgemeinen Volksräte, um dort Ideen, Wünsche und Forderungen der Frauenbewegung einzubringen. Zudem besteht in den gemischtgeschlechtlichen Strukturen auf allen Ebenen eine Doppelspitze, bestehend aus einer Frau und einem Mann (z.B. in den Räten selbst, in der größten westkurdischen Partei, der Partei der Demokratischen Einheit (PYD), in den Stadtverwaltungen etc.). Durch die autonome Organisierung der Frauen werden Frauenrechte auf allen Ebenen der Gesellschaft verteidigt, das heißt ideologisch, politisch und auch sozial. Das Wissen, die Gedanken, die von Frauen geschaffenen gesellschaftlichen Werte und ihre historischen Kämpfe finden eine besondere Anerkennung. Mit der Ausrufung der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien hat sich auch das Arbeitsgebiet von Kongra Star ausgeweitet.

 

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