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UNITAD stuft Überfall auf Şengal als Genozid ein



Eine UN-Ermittlungsgruppe hat die Ermordung, Vertreibung und Versklavung von Ezid:innen in Şengal als Völkermord eingestuft und den Irak aufgefordert, per Gesetz das erforderliche Justiz- und Rechtssystem zu schaffen, um den Genozid als solchen zu ahnden.

Ein UN-Ermittlungsteam stuft die Ermordung, Vertreibung und Versklavung von Ezid:innen in Şengal durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) als Genozid ein. Unabhängige und unparteiische Ermittlungen hätten klare und überzeugende Beweise erbracht, dass die Verbrechen den Tatbestand des Völkermords erfüllten, erklärte Karim Khan, Leiter der Ermittlungsgruppe UNITAD und designierter Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, am Montag vor dem UN-Sicherheitsrat. Der IS habe die gesamte Menschheit durch sein Ultimatum „Konvertiere oder stirb“ an die Ezid:innen geschockt. Dieser Völkermord müsse bestraft werden, so Khan.

1.444 „potenzielle Täter“ identifiziert

Die mit der UN-Resolution 2379 von 2017 eingesetzte Ermittlungsgruppe zur Untersuchung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch den IS hat neben Angriffen auf die ezidische Gemeinschaft in Şengal auch die Massentötungen unbewaffneter Kadetten und anderer Soldaten in der Militärakademie Tikrit im Juni 2014 untersucht. Khan beklagte Hinrichtungen, Versklavung, sexuelle Sklaverei sowie Verbrechen gegen Kinder. Die Untersuchungen seines Teams stützen sich auf Propaganda-Videos des IS, Aussagen von Zeug:innen, „Verwaltungsdokumente“ der Dschihadisten und digitale Dateien aus Handys und Laptos. Laut Khan wurden von der UNITAD insgesamt 1.444 „potenzielle Täter“ identifiziert, von denen 469 am Überfall auf Şengal und 120 an dem Massaker im Dorf Koço beteiligt waren. Die UNITAD konnte auch Einzelpersonen und Firmen identifiziert, die den IS finanziell unterstützt haben sollen, sagte Khan. Es seien weitere Ermittlungen nötig, um die Verbrechen an Christ:innen, Sunnit:innen, Schiit:innen und anderen Gemeinschaften aufzuklären.

Koço fast vollständig ausgelöscht

Koço wurde 2014 vom IS fast vollständig ausgelöscht. In der Ortschaft lebten zum Zeitpunkt des Überfalls auf Şengal mehr als 1.800 Menschen. Am 15. August verübte der IS ein Massaker, bei dem etwa 600 ezidische Jugendliche und Männer getötet wurden, weil sie sich weigerten, zum Islam zu konvertieren. Fast 700 Frauen und rund 300 Kinder wurden aus Koço verschleppt und sexuell ausgebeutet beziehungsweise zu Kindersoldaten ausgebildet. Während einige wenige von ihnen fliehen konnten und andere von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und der internationalen Anti-IS-Koalition aus IS-Gefangenschaft befreit wurden, werden rund 400 Menschen aus Koço noch immer vermisst. Die Leichen von 104 Bewohner:innen des Dorfes hatte das UN-Ermittlungsteam aus Massengräbern exhumiert und in einem aufwendigen Verfahren identifizieren können.

Gesetzesänderungen für Verfolgung des Genozids nötig

Am 3. August 2014 begann der Überfall des IS auf das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal. Schätzungen nach fielen etwa 10.000 Menschen dem Genozid zum Opfer. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden vom IS entführt, mehr als 400.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und weitere Tausende werden bis heute vermisst. Für eine strafrechtliche Verfolgung des Genozids an den Ezid:innen forderte Khan, dass der Irak per Gesetz das erforderliche Justiz- und Rechtssystem schafft, damit diese Verbrechen nicht als Terrorakte, sondern als Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen geahndet werden.

UN-Sondertribunal scheitert am Widerstand von Russland und China

Viele Überlebende fordern ein internationales Tribunal, um den Genozid am ezidischen Volk aufklären zulassen. Weil den Weltmächten der politische Wille fehlt, kam ein solches Sondergericht bislang nicht zustande. Auch der Internationale Strafgerichtshof kann nicht ermitteln, weil der Irak wie die USA, Russland, Syrien, China, Indien oder die Türkei zu den Ländern gehört, die das Gründungsstatut des Gerichts nicht ratifiziert haben und sich nach wie vor weigern, Hoheitsrechte an das Weltstrafgericht abzutreten. Um mutmaßliche IS-Verbrecher trotzdem in Den Haag anzuklagen, ist eine Resolution des Weltsicherheitsrates nötig. Das ist bislang am Widerstand Russlands und Chinas gescheitert. In Deutschland kamen einige IS-Mitglieder nach dem im Völkerstrafgesetzbuch verankerten Weltrechtsprinzip vor Gericht.

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