„In al-Hol wächst eine neue IS-Generation heran“
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE
warnt die Bundesregierung davor, dass im nordostsyrischen Lager al-Hol
eine neue IS-Generation heranwächst. Dennoch unternimmt Deutschland kaum
etwas zur Unterstützung der Selbstverwaltung.
Nach der Zerschlagung der Territorialherrschaft des
sogenannten IS ist die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien mit
tausenden gefangenen IS-Dschihadisten sowie zehntausenden von teilweise
hochgradig fanatisierten Familienangehörigen konfrontiert. Ein Großteil
ist im Gefangenenlager Hol (al-Haul) südöstlich von Hesekê
untergebracht. Das Camp beherbergt etwa 65.000 Personen aus 50
verschiedenen Ländern, darunter tausende IS-Familien, die nach der
Einnahme der letzten Bastion der islamistischen Terrororganisation in
Ostsyrien im März letzten Jahres von den Demokratischen Kräften Syriens
(QSD) aufgegriffen wurden, und gilt als eines der gefährlichsten Lager
der Welt.
In weiten Teilen des Lagers herrschen Probleme bei der Aufrechterhaltung der Kontrolle, immer wieder kommt es zu Aufständen, Morden und Übergriffen. Besonders fanatische IS-Anhängerinnen, die gemeinsam mit ihren Kindern in einem gesonderten Bereich im Camp al-Hol interniert sind und über die die Reorganisierung des IS stattfindet, haben sich in Milizen organisiert und terrorisieren die übrige Bevölkerung. In den Gefängniskomplexen bei Hesekê mit tausenden inhaftierten IS-Mitgliedern werden ebenfalls immer häufiger Unruhen und Ausbruchsversuche beobachtet. Ende März hatten alle Insassen im Sina-Gefängnis mithilfe eines von langer Hand vom IS geplanten Aufstands versucht zu flüchten. Nach rund 24 Stunden konnte die Revolte von Antiterroreinheiten der Selbstverwaltung, die aus der Luft von der internationalen Koalition gegen den IS unterstützt wurden, niedergeschlagen werden. Einen zweiten Aufruhr in Sina zettelten die IS-Gefangenen Anfang Mai an. Vor drei Wochen kam es in der völlig überfüllten Haftanstalt, in der rund 5.000 Dschihadisten aus verschiedenen Ländern auf ihren Prozess warten, erneut zu massiven Unruhen .
Länder nicht bereit, ihre Bürger zurückzunehmen
Kino Gabriel, der Sprecher der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), äußerte daraufhin zu den Ausbruchsversuchen, dass diese Art von Vorfällen zeige, wie wichtig sie für die Kontrollierung des IS seien. Dennoch müssten die internationale Gemeinschaft und die Koalition die QSD hinsichtlich der IS-Gefangenen und ihrer Familien in den Lagern unterstützen. Nach wie vor ist kein Land bereit, seine im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyriens wegen Kriegsverbrechen im Namen des IS inhaftierte Staatsbürger zurückzunehmen. Die Bedingungen in den Camps sind aber aufgrund der ausbleibenden Hilfe katastrophal. Die Selbstverwaltung kritisiert schon seit langem, dass die Staatengemeinschaft keine Verantwortung für ihre Bürgerinnen und Bürger übernimmt, die als IS-Dschihadisten nach Syrien kamen, und mit der Versorgung praktisch auf sich allein gestellt ist. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, stellte eine Kleine Anfrage zur Lage der internierten und gefangenen IS-Dschihadist*innen und ihrer Kinder in Nordostsyrien.
In weiten Teilen des Lagers herrschen Probleme bei der Aufrechterhaltung der Kontrolle, immer wieder kommt es zu Aufständen, Morden und Übergriffen. Besonders fanatische IS-Anhängerinnen, die gemeinsam mit ihren Kindern in einem gesonderten Bereich im Camp al-Hol interniert sind und über die die Reorganisierung des IS stattfindet, haben sich in Milizen organisiert und terrorisieren die übrige Bevölkerung. In den Gefängniskomplexen bei Hesekê mit tausenden inhaftierten IS-Mitgliedern werden ebenfalls immer häufiger Unruhen und Ausbruchsversuche beobachtet. Ende März hatten alle Insassen im Sina-Gefängnis mithilfe eines von langer Hand vom IS geplanten Aufstands versucht zu flüchten. Nach rund 24 Stunden konnte die Revolte von Antiterroreinheiten der Selbstverwaltung, die aus der Luft von der internationalen Koalition gegen den IS unterstützt wurden, niedergeschlagen werden. Einen zweiten Aufruhr in Sina zettelten die IS-Gefangenen Anfang Mai an. Vor drei Wochen kam es in der völlig überfüllten Haftanstalt, in der rund 5.000 Dschihadisten aus verschiedenen Ländern auf ihren Prozess warten, erneut zu massiven Unruhen .
Länder nicht bereit, ihre Bürger zurückzunehmen
Kino Gabriel, der Sprecher der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), äußerte daraufhin zu den Ausbruchsversuchen, dass diese Art von Vorfällen zeige, wie wichtig sie für die Kontrollierung des IS seien. Dennoch müssten die internationale Gemeinschaft und die Koalition die QSD hinsichtlich der IS-Gefangenen und ihrer Familien in den Lagern unterstützen. Nach wie vor ist kein Land bereit, seine im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyriens wegen Kriegsverbrechen im Namen des IS inhaftierte Staatsbürger zurückzunehmen. Die Bedingungen in den Camps sind aber aufgrund der ausbleibenden Hilfe katastrophal. Die Selbstverwaltung kritisiert schon seit langem, dass die Staatengemeinschaft keine Verantwortung für ihre Bürgerinnen und Bürger übernimmt, die als IS-Dschihadisten nach Syrien kamen, und mit der Versorgung praktisch auf sich allein gestellt ist. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, stellte eine Kleine Anfrage zur Lage der internierten und gefangenen IS-Dschihadist*innen und ihrer Kinder in Nordostsyrien.
Die Bundesregierung beziffert die Zahl der im Autonomiegebiet inhaftierten IS-Dschihadisten auf 12.000 und beruft sich dabei auf Angaben der QSD. Ihrer Kenntnis nach seien die Sicherheitskräfte der Selbstverwaltung in manchen Einrichtungen mit der Bewachung der Gefangenen „überfordert“. Mindestens 30 deutsche IS-Dschihadisten befinden sich weiterhin in Nordsyrien in QSD-Haft.
Humanitäre Lage in den Camps von Unterernährung und mangelnder Versorgung geprägt
Die unter Embargo und Krieg leidende Selbstverwaltung setzt alles daran, die Menschen in den Lagern so gut wie möglich zu versorgen. Aufgrund der ausbleibenden internationalen Hilfe entstehen jedoch massive Versorgungslücken. Insbesondere Kinder leiden unter dieser Situation. Nach Angaben der Bundesregierung leiden die Kinder an Unterernährung, die Lager sind überfüllt und nur sehr eingeschränkte medizinische Versorgung ist möglich. Deutschland unterstützt einige wenige humanitäre Hilfsorganisationen – unter anderem das Welternährungsprogramm, den UNHCR und das Internationale Rote Kreuz – die in den Camps Hol und Roj aktiv sind. Die Aktivitäten dieser Institutionen sind jedoch nur äußerst begrenzt und weitgehend unzureichend. Den Löwenanteil der Versorgung hat die Selbstverwaltung und die Hilfsorganisation Heyva Sor a Kurd mit ihrem äußerst begrenzten Budget zu tragen. Das musste auch die Bundesregierung anerkennen: „Lokale Akteure im Nordosten Syriens und humanitäre Akteure unternehmen große Anstrengungen, eine humanitäre Mindestversorgung zu gewährleisten.“ Allerdings erscheint es angesichts der schwierigen Lage als besonders zynisch, wenn die Bundesregierung weiter anmerkt: „Die Haftanstalten in Nordostsyrien werden von der sogenannten kurdischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens betrieben, die auch für die Einhaltung internationaler Standards der Haftbedingungen verantwortlich ist.“
Jelpke: „Bundesregierung muss sich ihrer Verantwortung stellen“
Die Fragestellerin Ulla Jelpke kommentiert dies folgendermaßen: „Es ist wirklich schäbig, der unter Embargo stehenden, kriegsgebeutelten Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens die alleinige Verantwortung für die Situation in den Gefängnissen und Lagern zuzusprechen. Die Bundesregierung räumt doch ein, dass die Selbstverwaltung teilweise mit der Überwachung der Gefangenen überfordert sei. Die dort inhaftierten IS-Verbrecher und häufig auch ihre Familien sind aus der ganzen Welt, auch aus Deutschland, nach Syrien gegangen, um dort schwerste Verbrechen zu begehen. Jetzt lässt man die Selbstverwaltung mit diesen Tätern praktisch alleine. Ich fordere einen direkten Austausch und Entlastung der Selbstverwaltung beim Umgang mit gefangenen IS-Dschihadisten. Deutschland muss sich der Verantwortung für seine Staatsbürger stellen.“
IS-Gewalt in Flüchtlingslagern eskaliert
Die Situation in Flüchtlingslagern, insbesondere in al-Hol, ist katastrophal. In den Lagern reorganisiert sich der IS. Nach Erkenntnissen der Bundesregierung kommt es im Hol-Camp „fast täglich zu Protesten, Aufständen und Ausbruchsversuchen“. Die Gewalt der IS-Dschihadistinnen eskaliert immer weiter. So schreibt die Bundesregierung: „Tätliche Übergriffe von IS-Angehörigen werden immer gewalttätiger und enden häufiger in Tötungen als 2019“. In al-Hol existiert eine sogenannte Hisba mit mehreren hundert Mitgliedern, dabei handelt es sich um eine „Sittenpolizei“ des IS. Etwa 80 Prozent der Frauen aus al-Baghouz, die nach al-Hol gebracht wurden, haben sich der Miliz angeschlossen und terrorisieren die Bevölkerung im Lager. Die Hisba verübt immer wieder auch tödliche Übergriffe.
Kinder werden radikalisiert
Die Bundesregierung weiß zu berichten, dass es den IS-Anhängerinnen gelingt, die Minderjährigen im Camp Hol nach IS-Ideologie zu erziehen. Die Kinder seien hochgradig radikalisiert und würden von der IS-Führungsebene als neue Generation betrachtet.
80 deutsche Staatsbürger in Gefangenschaft
Momentan befinden sich nach Angaben der Bundesregierung 80 deutsche Staatsangehörige (30 Männer und 50 Frauen) mit IS-Bezug in Gefängnissen und Internierungslagern in Nord- und Ostsyrien. Zu den Minderjährigen sind keine genauen Zahlen bekannt, die Bundesregierung geht jedoch von einer Zunahme aus. Gegen 71 Personen aus diesem Kreis werden in Deutschland Terrorermittlungen geführt.
Jelpke: „Familien aus Deutschland müssen übernommen werden“
„Die Lager sind eine Katastrophe“, sagt Ulla Jelpke. Das liege nicht daran, dass sich die Selbstverwaltung nicht mit allen Mitteln darum kümmern würde. „Es liegt an vollkommen unzureichender internationaler Unterstützung. Die Bundesregierung muss wenigstens die Kinder von aus Deutschland stammenden IS-Dschihadisten zusammen mit ihren Müttern übernehmen. Einen anderen Weg gibt es nicht, um eine humanitäre Katastrophe und eine neue Generation von IS-Terroristen zu verhindern.“
Zwölf IS-Frauen aus Syrien ausgereist
Nach Angaben der Bundesregierung sind zwölf deutsche Frauen aus dem Gewahrsam in Nordsyrien entlassen worden. Sie wurden von 23 Kindern begleitet. Hinzu kommen vier unbegleitete Kinder, die freigekommen sind. Neun der Frauen sind nach Deutschland zurückgekehrt. Gegen sie wird nach Terrorparagraphen ermittelt. Sieben Kinder wurden aus Nordsyrien nach Deutschland gebracht.
Türkei und Kuweit in Leitung von Arbeitsgruppe „Foreign Fighters“
Laut Bundesregierung verfügt die Anti-IS-Koalition über fünf Arbeitsgruppen, darunter eine zu sogenannten „Foreign Terrorist Fighters“, die von den Ko-Vorsitzenden Niederlande, Türkei und Kuwait geleitet wird. Insbesondere der türkische Ko-Vorsitz in dieser Arbeitsgruppe ist regelrecht absurd, ist doch die Türkei von der Bundesregierung selbst 2016 als „zentrale Aktionsplattform islamistischer Terroristen“ bezeichnet worden. Die Verantwortung der Türkei für die Schleusung und Ausbildung von IS-Dschihadisten aus aller Welt ist weithin bekannt. Es wäre naheliegend anzunehmen, dass die Befreiung der hochgefährlichen moldawischen IS-Dschihadistin Natalia Barkal durch den MIT vergangene Woche genau über diese Struktur organisiert wurde. Sie wird als führendes Mitglied der „Hisba-Struktur“ gehandelt, die für die Reorganisierung des IS verantwortlich ist. Eine Verwicklung der im Mai im Camp Hol eröffneten bundesdeutschen Deradikalisierungstelle muss hinterfragt werden.
Bundesregierung vermeidet jegliche Anerkennung der Selbstverwaltung
Wie ein roter Faden durchzieht die Antwort auf die Kleine Anfrage der Versuch, die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien zu diffamieren und jede Anerkennung zu vermeiden. So bezeichnet die Bundesregierung die Selbstverwaltung der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien als „sog. Kurdische Selbstverwaltung“. Sie ist vermutlich die einzige, die diese multiethnische Selbstverwaltung auf diese Weise benennt. Durch die Beifügung von „sogenannt“ soll Illegitimität der Selbstverwaltung suggeriert werden, durch die Bezeichnung als „kurdische Selbstverwaltung“ wird der Selbstverwaltung unterstellt, sie sei ethnisch organisiert und stünde unter kurdischer Herrschaft. Mit einer solchen Argumentation agitieren türkische und arabische Nationalisten gegen die Selbstverwaltung, in der alle Bevölkerungsgruppen gleichberechtigt repräsentiert sind.
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