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Warum der Bielefelder Martin Klamper wieder in Şengal ist


Martin Klamper war Bundeswehrsoldat, ging nach Kurdistan, kämpfte in Raqqa, Efrîn und Deir ez-Zor gegen den IS, wurde in Deutschland festgenommen und ist jetzt in Şengal. Im ANF-Interview erzählt er, warum er zurück nach Kurdistan wollte. 


Internationalistinnen und Internationalisten aus der ganzen Welt zieht es aus unterschiedlichen Gründen nach Kurdistan. Einer von ihnen ist Martin Klamper, mit dem wir im ezidischen Siedlungsgebiet Şengal in Südkurdistan sprechen konnten.
Kannst Du Dich kurz vorstellen? Wer bist Du, wo kommst Du her? Wann und warum bist Du das erste Mal nach Kurdistan gefahren?
Ich bin der Martin Klamper, 24 Jahre alt und komme aus Bielefeld. Ich habe mich 2017 entschlossen, nach Rojava zu reisen, um zu helfen. Egal wie. Ich war in der Bundeswehr und war auch im Einsatz, als ich mir intensiv die Bilder und Videos vom „Islamischen Staat“ angeguckt habe. Ich war mit der Deutschen Marine auf einer Fregatte im Mittelmeer unterwegs, um Flüchtlinge aus dem Meer vor dem Ertrinken zu retten. Da mir die Bilder vom IS im Kopf geblieben sind und ich nach einer Lösung gesucht habe, fiel mir auf, dass die Rettung der Flüchtlinge zwar den unmittelbar Betroffenen hilft, aber nicht die Ursache des Problems bekämpft. Die Ursache ist unter anderem der IS. Nach sehr vielen erfolgreichen Rettungen von geflüchteten Menschen habe ich mich intensiver damit befasst, was man tun könnte, um die Ursachen zu bekämpfen. Dabei stand bei mir damals nur eins fest: Auf nach Syrien und den Kurden irgendwie helfen. Als die Bundeswehr davon wusste, wurde ich unehrenhaft entlassen, so dass ich alles verlor. Ich machte mich dann auf den Weg nach Rojava.
Was hast Du dort gemacht?
Ich hatte ja weder Kontakte noch Anhaltspunkte, als ich in Silêmanî in Südkurdistan gelandet war. Dort traf ich am Flughafen einen Österreicher, der zu den ezidischen Verteidigungskräften YBŞ nach Şengal wollte. Also bin ich einfach mitgefahren und so kam ich dann Mitte des Jahres 2017 nach Şengal. Dort durfte ich den demokratischen Konföderalismus von Abdullah Öcalan sowie die kurdische und die ezidische Kultur kennenlernen. Auch erhielt ich eine militärische Ausbildung sowie Sprachunterricht. Nach nur ein paar Monaten schlossen wir uns einer ezidischen Einheit in Raqqa an, um gemeinsam gegen den IS zu kämpfen. Nach einem sehr harten Kampf von Haus zu Haus, Straße zu Straße fiel die Stadt und wir fuhren wieder zurück nach Şengal.
Später bist Du dann nach Efrîn gegangen und verletzt worden. Wie kam es dazu?
Als Efrîn 2018 von der türkischen Armee angegriffen wurde, musste ich mich entscheiden, ob ich weiterhin an der Seite der Kurden stehen werde oder nicht. Ich entschied mich, weiterhin für die Kurden zu kämpfen, und ging nach Efrîn. Dort wurde ich in einem türkischen Artillerieregen schwer verwundet und musste Efrîn verlassen. Ich habe viele Splitter abbekommen, viele davon sind noch heute in meinem Körper, weil sie zu tief sitzen.
Und was geschah dann?
Nach Efrîn konnte ich mich für ein paar Monate in Şengal erholen, bis wir nach Deir ez-Zor gegangen sind, um die letzten Überreste des IS zu bekämpfen. Der Einsatz verlangte von mir sehr viel ab, psychisch aber auch physisch. Ich musste tagelang durch die endlose Wüste marschieren, während wir Dorf für Dorf befreiten. Es gab Dörfer, die keinen Widerstand leisteten und welche mit heftigem Widerstand, die nur sehr schwer einzunehmen waren. Nachdem unser Kommandant sagte, dass wir wieder zurück nach Şengal gehen sollten, da wir bereits zwei Gefallene und viele Verwundete hatten, entschied ich mich, nach Deutschland zurückzufliegen, da ich meinen Einsatz für beendet hielt.
Wie erging es Dir in Deutschland?
In Deutschland angekommen wurde ich sofort verhaftet und mir wurde Terrorismus vorgeworfen, nach Paragraph 129a und b. Mir wurden sämtliche Unterlagen entzogen, also Pass und Ausweis. Daher konnte ich in Deutschland nichts machen, weder arbeiten noch irgendwelche Hilfe beantragen. Nach rund zehn Monaten hat die Staatsanwaltschaft den Fall eingestellt, ich konnte aber meine Ausweisdokumente nicht abholen.
Und was hast Du gemacht?
Ich war schon längst entschlossen, wieder zurück nach Şengal zu fliegen. Weil ich nicht länger warten wollte, habe ich meinen anderen Reisepass benutzt, ich habe eine doppelte Staatsbürgerschaft. Ich hielt es für falsch, in Deutschland zu sein, während die Kurden in Rojava und Şengal noch immer von der Türkei angegriffen wurden und ich tatenlos zugesehen habe. Ich flog im Mai 2018 zurück nach Kurdistan, um mich wieder den YBŞ anzuschließen. Seitdem habe ich hier einiges erlebt. Wir haben eine IS-Schläferzelle angegriffen, wurden von türkischen Drohnen bombardiert und lebten seitdem in Höhlen. Anfang dieses Jahres bin ich in die Pressestelle der YBŞ gewechselt, um Medienarbeit zu machen. Ich liebe es, Fotos und Videos zu machen und kenne mich sehr gut mit Videoprogrammen aus, daher kam der Gedanke, meine Fähigkeiten in der Pressestelle anzuwenden. Seitdem dokumentiere ich fast alles, was um und in Şengal passiert, führe Interviews durch, schneide und bearbeite Videos und kümmere mich um die sozialen Medien.
Wir danken Dir für das Gespräch und wünschen Dir weiter viel Erfolg.

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