Serêkaniyê-Vertriebene prangern Angela Merkel an
Seit Angela Merkel ankündigte, eine finanzielle Unterstützung der
demografischen Neuordnung in Nordsyrien prüfen zu wollen, steht die
Bundeskanzlerin in der Kritik. Vertriebene aus Serêkaniyê mahnen, Merkel
mache sich schuldig.
Bei ihrem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan Ende Januar in Istanbul kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel an, eine finanzielle Unterstützung der türkischen Politik einer demografischen Neuordnung in Nordsyrien prüfen zu wollen. In den seit Oktober 2019 von der Türkei besetzten Gebieten Nord- und Ostsyriens plant die Erdoğan-Regierung den Bau von Notunterkünften für syrische Flüchtlinge aus der Türkei. Merkel nannte dieses Vorhaben in Istanbul eine „humanitäre Aktion”, für die es deutsche Mittel geben könnte.
Laut dem wissenschaftlichen Dienst des Bundestages verstoßen die gezielte demografische Veränderung und die Pläne der Ansiedlung von 2,5 Millionen Flüchtlingen in den von der Türkei besetzten Gebieten in Nordsyrien gegen das Völkerrecht. Sollten dazu tatsächlich Gelder aus Deutschland fließen, würde ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, als den der wissenschaftliche Dienst des Bundestags die türkische Invasion bezeichnet hat, mit deutscher Hilfe legitimiert und die Bundesregierung mitschuldig an der Vertreibung in Nordsyrien werden.
Seit Merkel deutsche Hilfe für das Vorhaben Erdoğans signalisierte, steht die deutsche Bundeskanzlerin in der Kritik. Im Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten heißt es in Artikel 49: „Zwangsweise Einzel- oder Massenumsiedlungen sowie Deportationen von geschützten Personen aus besetztem Gebiet nach dem Gebiet der Besetzungsmacht oder dem irgendeines anderen besetzten oder unbesetzten Staates sind ohne Rücksicht auf ihren Beweggrund verboten.” Während die Diskussionen über den Einsatz von Leopard-2-Panzern bei der türkischen Invasion in Efrîn mit Hunderten Toten noch immer nicht abgeklungen sind, fallen die Reaktionen an der Initiative der Bundesregierung, der Besatzung Legitimität zu verleihen, immer heftiger aus.
Die Menschen im Camp Waşokanî, das für Vertriebene aus den Städten Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) errichtet wurde, sind entzürnt. Insgesamt wurden aus der Region rund 350.000 Zivilisten in die Flucht getrieben. Ein kleiner Teil ist in der Zeltstadt nördlich von Hesekê untergekommen. Sie fragen sich, ob Merkel wüsste, was sie tut. „Ist sich die deutsche Bundeskanzlerin bewusst darüber, wem sie unsere Heimat überlassen will?”, fragt zum Beispiel die arabische Camp-Bewohnerin Asiya Xalid. Sie gibt zu verstehen, dass es nicht in Frage kommt, die Heimat anderen zu überlassen. „Damit werden wir beim besten Willen nicht einverstanden sein. Wieso sollten wir für immer weg aus unseren angestammten Wohnorten und unseren Häusern? Um sie anderen zu übergeben? Den Dschihadisten?”
Statt sich entschieden gegen die Absichten der Türkei zu positionieren, gebe Angela Merkel grünes Licht für den erzwungenen und unrechtmäßigen Wandel der besetzten Gebiete. Die Vertriebenen legen Merkel nahe, sich vor Ort ein eigenes Bild ihrer zu machen. Vielleicht würde sie dann begreifen, dass sie sich mit der finanziellen Förderung der türkischen Expansionspläne nach dem Völkerrecht schuldig macht.
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