Ankaras Umsiedlungspläne stoßen bei der UN auf weit weniger Kritik, als erwartet. Bei einem Treffen am 1. November mit dem türkischen Präsident Recep Erdoğan betonte UN-Generalsekretär António Guterres lediglich, die Grundprinzipien für eine “freiwillige, sichere und würdige Rückkehr von Geflüchteten”. Damit unterstützt die UN nicht nur das völkerrechtswidrige Vorhaben, sondern fällt auch auf den Propaganda-Sprech aus Ankara herein. Denn: Die Menschen kommen nicht aus den anvisierten Gebieten, von Rückkehr kann also keine Rede sein. Stattdessen werden sie in die eroberten Regionen und Städte zwangsumgesiedelt, aus denen die hiesige Bevölkerung vorab durch die Militärinvasion vertrieben wurde.
Unsere
Partner aus Nordost-Syrien bewerten „die Ankündigung des UN
Generalsekretärs, die Pläne der Türkei zu überprüfen und eine Kommission
dafür ins Leben zu rufen, als Zustimmung zur angekündigten ethnischen
Säuberung und Zwangsumsiedlung der Kurden und anderen syrischen
Flüchtlingen.”
Trotzdem scheinen beim ersten Treffen des Expertenteam des UNHCR und einer Delegation des türkischen Außenministeriums in Genf am 11. November erste Einigungen erzielt worden zu sein. Zumindest der stellvertretende türkische Außenminister Yavuz Kıran bezeichnete die Gespräche als “konstruktiv und fruchtbar”. Folgegespräche sind bereits in Planung.
Türkei hebelt Völkerrecht aus
Diese Einigkeit verwundert umso mehr, da dieser Bevölkerungsverschiebung, auch bekannt als “Demographic Engineering”, das völkerrechtliche Fundament fehlt. Zumindest der wissenschaftliche Dienst des Bundestages benennt dies klar und bezeichnet die geplante Technik als eine “ethnische Flurbereinigung” und schreibt, dass besatzungsrechtlich “jegliche Formen der Umsiedlung geschützter Personen in besetzten Gebieten untersagt” seien. Eine Sicherheitszone könnte auch nur dann errichtet werden, wenn eine Selbstverteidigungslage für die Türkei vorliegt. Jedoch sieht der wissenschaftliche Dienst “keine völkerrechtlich zulässige Selbstverteidigungshandlung”, und selbst wenn eine bestehen sollte, sieht das Gutachten “keinen Zweifel an der Unangemessenheit der türkischen Militäroffensive”. Daher bestehe keine völkerrechtliche Basis überhaupt, ein Gebiet zu errichten, in das Geflüchtete zwangsweise umgesiedelt werden können.Wenn selbst die UN an der Umsetzung dieser auf Völkerrechtsbruch basierenden Plänen arbeitet, bleibt kaum Hoffnung, dass jemand der Türkei einen Strich durch die Rechnung macht. Diese treibt ihr Vorhaben derweil eisern an und machte bereits deutlich, dass sie schnell handeln will. Ein wichtiges Stichdatum dürfte der 17./18. Dezember zu sein. Dann findet das erste Global Refugee Forum in Genf statt. Bei dem Gipfel will Ankara bereits einen groben Fahrplan zur Zusammenarbeit mit dem UNHCR präsentieren.
Aus der Vergangenheit nichts gelernt
„Für uns als vertriebene Oppositionelle ist die Situation unerträglich –
wir dachten, wir könnten unsere Demokratie-Bewegung hier fortsetzen.
Aber es scheint so, dass wir nun alle einfach zu Opfern der
Vereinbarungen und Abmachungen der regionalen und internationalen Mächte
werden.“
Unser Partner Ahmad aus den von der Türkei kontrollierten Euphrate-Shield-Gebieten.
“Die UN soll vielmehr ihre Aufgabe der Friedenssicherung wahrnehmen,und sich dafür einsetzen, dass die Vertriebenen innerhalb Syriens wieder zu ihren Häusern zurückkehren können. Geflüchtete sollen freiwillig und würdevoll in ihre ursprünglichen Regionen zurückkehren können.”
Einer unserer Partner in Nordost-Syrie
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